Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
Nix unvorbereitet gewesen.
Er hatte ja gar nicht geplant gehabt, mehr Geld als vereinbart zu verlangen.
Das war ihm einfach so eingefallen. Dumme Trinkerei! Dumme Wiener Angewohnheit,
eine Eskalation herbeizubeten.
    In einem Stahlschrank fand ich den in ein Tuch eingewickelten Stein.
Ich legte das Fossil auf die Arbeitsfläche und betrachtete es. Soweit ich das
beurteilen konnte, war es eine perfekte Arbeit. Natürlich war es das.
    Ich sah hinüber zu Nix, wie er da unter dem Bett lag und ausblutete.
Nun, um ehrlich zu sein, ich hätte ihn in jedem Fall umgebracht. Daß er
tatsächlich jemanden beauftragt hatte, nach Solnhofen zu fahren und Fotos zu
machen, glaubte ich nicht. Man hatte mir gesagt, daß Nix selbst oft genug in
Solnhofen gewesen war. Er hatte diesen bestimmten Archaeopteryx in- und
auswendig gekannt. Wenn sich da aber trotzdem irgendein Mitwisser herumtrieb,
dann…was
soll’s? Wenn der erst einmal vom traurigen Ende seines Freundes Nix erfahren
hatte, würde er ganz sicher den Mund halten.
    Ich packte den Stein wieder in das Tuch und tat ihn in eine Plastiktüte.
Dann verließ ich den Raum. Ich versuchte gar nicht erst, nachzusehen, ob ich
irgendwelche Spuren hinterlassen hatte. Wenn ja, dann war das halt so. Spuren
gehören zum Leben. So richtig auffällig werden sie aber erst dann, wenn man sie
verwischt. Verwischte Spuren sind wie diese Leute, die einen Furz lassen und
sich dann scheinheilig nach einem Übeltäter umsehen.
    Ich trat ins Freie hinaus. Die Luft war frisch und sauber.
Man konnte sogar ein paar Sterne erkennen. Nicht, daß ich hätte sagen können,
was für Sterne, nur weil dort oben meine Heimat lag. Wo überhaupt? Wenn ein
Dortmunder auf dem Platz des Himmlischen Friedens steht, weiß er wahrscheinlich
auch nicht, in welcher Richtung Dortmund liegt.
    Ich bewegte mich eine ganze Weile vom Tatort weg, bevor ich in ein
Taxi stieg und mich zur Pension Leda bringen ließ. Dort angekommen, drückte ich
auf den Knopf der Gegensprechanlage. Denn schließlich war das Hotel bloß Teil
eines normalen Wohnhauses, das vierte und fünfte Stockwerk belegend.
    Ich klingelte erneut. Und dann noch einmal. Doch niemand rührte
sich. Aus den Ritzen des Lautsprechers drang einzig ein Rauschen, das ganz
wunderbar in eine Straße mit diesem Namen paßte. Mich selbst hingegen packte
die Wut. Diese verdammte Leda-Hexe!
    Richtig, sie hatte mit keinem Wort erklärt, daß während der
Nachtzeit die Rezeption besetzt wäre. Von ihr oder einem ihrer sogenannten
Söhne. Sie hatte nur erklärt, daß es für die Gäste Pflicht sei, beim Verlassen
der Pension die Schlüssel abzugeben.
    So verharrte ich also um drei Uhr morgens in der von der
Straßenbeleuchtung nur leicht aufgehellten nächtlichen Universumstraße, in der
Hand eine Plastiktüte, und wußte nicht so recht, was ich tun sollte. Sicher,
ich hätte irgendwo anders läuten können, um wenigstens in das Haus zu gelangen
und dann gegen die Türe der Pension zu trommeln. Doch ich verwarf diese Idee,
wollte keine Aufmerksamkeit erzeugen. Schlimm genug, daß ich auf der Straße
herumstand, als sei mein sehnlichster Wunsch, einem vorbeifahrenden Polizisten
einen Grund zu geben anzuhalten.
    Darum beschloß ich, mich in Bewegung zu setzen und durch die Gegend
zu spazieren. Denn es ist weit weniger auffallend, zu gehen als zu stehen.
Erstaunlicherweise! Die Bewegung suggeriert legalen Fleiß, das Stehen illegalen
Profit. Es werden so gut wie nie gehende, sondern immer nur stehende Leute
festgenommen. Und sogar die, die flüchten, flüchten quasi aus dem Stand heraus.
Das gilt für Drogendealer wie für Wirtschaftsverbrecher.
    So bemühte ich mich also, gehenderweise den Eindruck des Legalen zu
vermitteln. Ich passierte eine breite, von einem einzigen Wagen frequentierte
Straße, durchschritt die Unterführung einer Bahntrasse, kam an einem
Krankenhaus vorbei und gelangte in eine Gegend, die so einfach und still in
dieser Nacht einsaß, wie man das vielleicht von Dingen sagt, die in
Konservendosen stecken. Übrigens ahnte ich nicht, wie nahe ich mich an der
Donau befand. Der Umstand, unser doppeltes Sonnensystem in seiner ganzen Breite
durchquert zu haben, änderte nichts an meiner grundlegenden Unfähigkeit, mich
zu orientieren. Ich gehöre zu den Leuten, die ohne Taxis längst tot wären.
    Sowenig die Orientierung meine Sache

Weitere Kostenlose Bücher