Gewitter über Pluto: Roman
Wesen mit Wimpern aus den Siebzigerjahren sich
auf der Sitzbank niederlassen konnte. Ich sah zu Mick auf und fragte ihn, was
das solle.
»Gesellschaft«, sagte Mick.
»Ich brauche beim Schach keine Gesellschaft.«
»Ich schon«, erwiderte Mick, was sich komisch anhörte, wenn man
bedachte, daà er die letzte Stunde allein vor dem Brett gesessen hatte. Aber
gut, da hatte er ja auch noch keinen Gegner gehabt.
Ich lieà ihm seinen Willen und war bemüht, mich auf die Figuren zu
konzentrieren. Was ja bedeutete, zu versuchen, in die Zukunft zu sehen. In
verschiedene Zukünfte. Und was einem in diesen Zukünften alles zustoÃen könnte.
Interessanterweise sprach nun auch Mick von der Zukunft. Er redete
mit den Mädchen, ich war mir aber sicher, daà er das alles nur erzählte, um
meine Konzentration zu stören. Er fragte die drei Grazien: »Kennt ihr die
Geschichte von diesem Schriftstellertypen, der da in ein blödes Zeitloch fällt
und sich in diesem Loch den Schädel anhaut, und als er dann aufwacht, ist er
halt in der Zukunft. In so einem Raumschiff. Zusammen mit einer netten Frau,
die jedoch keine Frau ist, sondern ein hübscher Roboter. Aber mit allem dran,
was dazugehört.«
Die Grazien verdrehten die Augen.
»Verdammt, Mädels, hört ihr mir eigentlich zu?«
»Na klar, Mick, hörân wir dir zu.«
»Gut«, brummte Mick und setzte fort: »Der Typ sitzt also in so einem
gemütlichen Cockpit und wird plötzlich ganz sentimental. Weil da drauÃen halt
das Weltall ist und die ganzen Sterne und die ganzen Galaxien und die kleinen
Sonden und das Nichts. Und da quatscht er diese Roboterfrau an und erklärt ihr,
daà er wahrscheinlich nur darum in das Zeitloch gefallen ist, weil er es in
seinem alten Leben nicht mehr ausgehalten hat. Warum das denn? fragt ihn die
Roboterfrau. Also erzählt er ihr, er sei früher, als Schriftsteller, ein
absoluter Versager gewesen. Und wie ihn das krank gemacht hätte, dauernd davon
zu lesen, wie da andere die Preise abräumen und die Bestsellerlisten anführen
und jeden Tag hundert Mails von ihren Fans kriegen und von den Titelseiten
heruntergrinsen und bei jeder Talkshow ihr Maul aufreiÃen. Während er dahockt
und seine Romane schreibt, die zwar am Markt sind, aber so, als seien sie
unsichtbar. Kaum ein Kritiker, der sich dafür interessiert, und die Leser
sowieso nicht. Und wie unglücklich er damit gewesen sei und wie sehr er sich
dafür geniert habe vor seiner Frau und seinen beiden Töchtern. Gar nicht nur
wegen des Geldes, das auch, aber der Mensch braucht halt Anerkennung. Und weil
das alles so deprimierend gewesen sei, ja, darum wäre er in dieses Zeitloch
gefallen. Andere laufen mehr oder weniger absichtlich-unabsichtlich in ein Auto
hinein oder verwechseln eine Tagesdosis Blutdrucktabletten mit einer
Jahresration. Und einige stolpern eben in irgend so ein Raum-Zeit-Ding hinein
und sind nachher weg von ihrem alten Leben.«
»Und was macht er jetzt in diesem Raumschiff?« fragte die
Rothaarige. »Bumst er den Roboter?«
»He, red ned so schiach«, mahnte Mick und hob den Zeigefinger. »Das
ist kein SpaÃ, diese Geschichte. Das muà man begreifen. Einerseits ist der Typ
erleichtert, daà er sein Versagerdasein hinter sich hat. Ein paar Jahrtausende
und ein paar tausend Lichtjahre weg von Bachmann-Preisen und Talkshows braucht
er sich nicht zu grämen, wie schlecht er ist und wie gut die anderen.
Andererseits ist er Familienvater, beziehungsweise ist er das jetzt nicht mehr.
Und das macht ihn dann schon unglücklich. Und weil er unglücklich ist, lehnt er
sich halt an diese Roboterfrau an.«
»Das meinte ich doch«, sagte die Rothaarige.
»Kannst du zwischen anlehnen und bumsen nicht unterscheiden, du Schnalln? Der Mann da steckt
in einem Dilemma, verstehst du? Irgendwie froh um das Zeitloch und irgendwie
eben nicht. Jedenfalls ist diese Roboterfrau eine von den guten und läÃt es
sich gefallen, daà er sich an ihrem Busen ausheult. Sie fragt ihn, wie er
heiÃt. Na, er sagt es ihr. Und dann fragt sie ihn, wann er gelebt hat. Hm, das
ist ein biÃchen komisch gefragt. Aber sie hat ja recht. Also sagt er es ihr.
Das macht ihn so traurig, daà er gleich wieder mit seiner Winselei anfangt.
Irgendwann schläft er dabei ein. Als er aufwacht, klebt er noch immer an dieser
Roboterfrau. Sie blickt ihn aber so komisch an. Was
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