Gezaehmt im Bett einer Lady
brutalen Tod.
„Verdammt“, fluchte sie und erwiderte das Zwinkern der silbergrauen Augen ihrer Großmutter. „Das hier ist nicht nur peinlich, sondern kommt auch höchst ungelegen. Mich gelüstet nach Dain. Ausgerechnet jetzt. Ausgerechnet nach ihm.“
„Das ist ungünstig, da pflichte ich dir bei. Aber auch eine interessante Herausforderung, meinst du nicht?“
„Die Herausforderung besteht darin, Bertie von Dain und seinen verkommenen Kumpanen loszueisen“, erwiderte Jessica ernst.
„Es wäre viel einträglicher, wenn du Dain für dich loszueisen versuchtest“, bemerkte ihre Großmutter. „Er ist steinreich, seine Herkunft ist ausgezeichnet, er ist jung, stark und gesund, und du fühlst dich heftig zu ihm hingezogen.“
„Er ist kein Ehemann-Material.“
„Was ich beschrieben habe, ist perfektes Ehemann-Material“, entgegnete ihre Großmutter.
„Ich will keinen Ehemann.“
„Jessica, das will keine Frau, die Männer leidenschaftslos betrachten kann. Und du bist dabei bislang immer großartig leidenschaftslos gewesen. Aber wir leben nicht in Utopia. Wenn du deinen Laden eröffnest, wirst du zweifellos Geld verdienen. Doch die Familie wird sich von dir abwenden, dein gesellschaftliches Ansehen wird sinken und die Gesellschaft wird dich bemitleiden - während sie sich an den Rand des Bankrotts bringen, um bei dir einzukaufen. Und jeder Stutzer in London wird dir unanständige Angebote machen. Ja, man braucht Mut, um solch ein Unterfangen zu beginnen, wenn man in Schwierigkeiten steckt. Aber du bist nicht völlig mittellos, meine Liebe. Ich kann gut genug für dich sorgen, wenn es nötig wird.“
„Darüber haben wir doch schon oft genug gesprochen“, erwiderte Jessica. „Du bist kein Krösus, und wir haben beide einen kostspieligen Geschmack. Nicht zu vergessen, dass es nur noch mehr böses Blut in der Familie geben wird, während ich als scheinheilig gelte, nachdem ich jahrelang darauf beharrt habe, dass du keinem von uns einen Schilling schuldest und du nicht für uns verantwortlich bist.“
„Du bist sehr stolz und beherzt, was ich respektiere und bewundere, Liebes.“ Ihre Großmutter beugte sich vor, um Jessica das Knie zu tätscheln. „Und du bist gewiss die Einzige, die mich versteht. Wir sind immer mehr wie Schwestern oder gute Freundinnen gewesen als wie Großmutter und Enkelin, nicht wahr? Ich sage dir als Schwester und Freundin, dass Dain ein ausgezeichneter Fang ist. Ich rate dir, den Köder auszuwerfen und ihn, wenn er ihn geschluckt hat, an Land zu holen.“
Jessica nahm einen langen Schluck von ihrem Cognac. „Das hier ist doch keine Forelle, Genevieve. Wir haben es mit einem riesigen hungrigen Hai zu tun.“
„Dann nimm eine Harpune.“
Jessica schüttelte den Kopf.
Genevieve lehnte sich in die Kissen zurück und seufzte. „Ah gut, ich werde dich damit nicht plagen. Das wäre höchst unattraktiv. Ich werde einfach hoffen, dass seine Reaktion auf dich in nichts deiner auf ihn gleicht. Das ist nämlich ein Mann, der bekommt, was er will, Jessica, und wenn ich du wäre, wäre es mir lieber, nicht er wäre es, der die Angel einholt.“
Jessica unterdrückte einen Schauder. „Da besteht keinerlei Gefahr. Er will nichts mit Damen zu tun haben. Wenn man Bertie Glauben schenken darf, betrachtet Dain anständige Frauen als eine Spezies von tödlich giftigen Pilzen. Der einzige Grund, warum er mit mir gesprochen hat, war, dass er sich damit amüsieren wollte, mich zu schockieren.“
Genevieve kicherte. „Die Taschenuhr, meinst du? Das war eine köstliche Geburtstagsüberraschung. Und noch köstlicher war Berties Gesichtsausdruck, als ich die Schachtel geöffnet habe. Ich habe sein Gesicht nie zuvor in ebendieser Schattierung von Scharlach gesehen.“
„Vermutlich, weil du beschlossen hattest, das Geschenk im Restaurant zu öffnen, unter den Augen des Comte d’Esmond.“
Und das war das Aufreizendste daran, überlegte Jessica. Warum, zur Hölle, hatte sie nicht in Lust zu dem Comte entbrennen können? Er war ebenfalls sehr reich. Und atemberaubend attraktiv. Und zudem kultiviert.
„Esmond ist tres amüsante “, stellte Genevieve fest. „Zu schade, dass er bereits vergeben ist. Etwas sehr Interessantes schien in seinen Augen auf, als er von Mrs Beaumont sprach.“
Genevieve hatte Esmond gegenüber das Zehn-Sous-Bild erwähnt und Jessicas Überzeugung, dass es mehr war, als es schien. Esmond hatte vorgeschlagen, Mrs Beaumont nach Namen von Experten zu fragen, um es
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