Gezähmt von sanfter Hand
aufmerksam. Sie ist auf der Hut, dachte Richard.
»Wenn Euch ein Traum verfolgt, dann solltet Ihr ihn am besten für einen Augenblick zur Seite schieben. Denn wenn er Euch wirklich etwas sagen soll, dann kommt die Bedeutung von ganz allein, für gewöhnlich innerhalb der nächsten Tage. Oder der Traum verschwindet wieder.«
»Ist das so?« Richard hob eine Braue und nickte dann zögernd. Das war vermutlich ein vernünftiger Ratschlag, den er in die Tat umsetzen könnte. Doch zunächst musste er sie noch davon abhalten, ihn gleich wieder zu verlassen. Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Teewagen, der vor Mary stand. »Ich werde die Tassen holen.«
Catriona neigte gnädig den Kopf und beobachtete, wie Richard zum Teewagen hinüberging. Sie schwor sich, ab sofort einen Fächer bei sich zu tragen. Ihr war so heiß, dass es an ein Wunder grenzte, dass sie noch nicht in Flammen aufgegangen war – gleich hier in Marys Salon lichterloh verbrannt war. Die Wallungen durchliefen sie in zwei Formen – heiß und noch heißer. Heiß, wenn Richard sie nicht direkt anblickte, noch heißer, wenn er sie ansah. Es gab nur noch einen einzigen Grund, weshalb sie noch immer hier stand und jedes kleinste Stück ihrer Willenskraft und Erfahrung in diesen Dingen aufbot, um möglichst ungerührt zu erscheinen: Catriona war der Überzeugung, dass dies ganz einfach die Strafe dafür war, dass sie Richard verhext hatte – sie musste das qualvolle Verlangen nach ihm – das Gegenstück zu dem Verlangen, das sie in ihm geweckt hatte – nun hinnehmen und zugleich alles tun, um seine Lage ein wenig zu erleichtern. Aber …
Sie brauchte jetzt erst einmal ihren Tee.
In diesem Augenblick kehrte Richard zurück und reichte Catriona die Tasse; sie nahm sie entgegen und nippte dankbar daran.
Auch Richard trank von seinem Tee, wohl aus dem gleichen Grund wie Catriona, und setzte die Tasse anschließend auf dem Unterteller ab. »Erzählt mir von dieser Rolle, die Ihr spielt – als Herrin des Tales.«
Catriona blinzelte und schaute ihn an. »Die Herrin des Tales?« Als Richard schweigend wartete, fragte sie: »Ihr wollt wissen, worin meine Aufgabe besteht?«
Er nickte. Und sah in ihren Augen so etwas wie Wachsamkeit aufsteigen.
»Warum?«
»Weil …« Richard hielt inne, fuhr aber gleich darauf fort: »Ich möchte doch schließlich wissen, was ich verpassen werde.« Denn wenn sie dachte, dass er sich auf Seamus' Plan einließe, würde sie ihm wahrscheinlich gar nichts erzählen. Richard krönte seine Worte mit einem neckenden Lächeln und erhielt als Antwort ein verächtliches Schnauben.
»Dann braucht Ihr es ja gar nicht zu wissen.«
»Wo ist das Problem?« Er warf Catriona einen raschen Blick zu – sie hatte wieder einmal ihre kecke Nase in die Luft gereckt, und er fühlte sich wieder einmal jämmerlich unwohl. »Ihr seid die ortsansässige Heilerin, das weiß ich. Aber das kann doch nicht die Summe Eurer Pflichten sein, nicht, wenn Euch das Tal gehört.«
»Natürlich nicht.«
»Ich schätze mal, Ihr habt auch die Kontrolle über die Verpachtungen und den Verkauf Eurer Erzeugnisse, aber was ist mit den anderen Dingen? Dem Viehbestand, zum Beispiel? Überwacht Ihr die Viehzucht selbst, oder hilft Euch jemand dabei?«
In den Blick, den Catriona Richard nun zuwarf, mischten sich Gereiztheit und Resignation zu gleichen Teilen. »Selbstverständlich gibt es da noch andere. Der Großteil der Landwirtschaft wird von einem meiner Mitarbeiter verwaltet, ausgenommen die Molkerei.«
»Ihr stellt Euren eigenen Käse her?« Mit Hilfe einer Reihe vorsichtiger Fragen gelang es Richard, einen Überblick über Catrionas Ländereien zu gewinnen, und zugleich erfuhr er, wie sie diese verwaltete. Wie er bereits vermutet hatte, gab es Schwachstellen in der Verwaltung – wichtige Bereiche, in denen sie sich auf Leute verließ, die für diese Aufgaben nicht qualifiziert waren. Sie vertraute den Menschen zu schnell – trotz oder vielleicht aufgrund, ihres Glaubens.
Das hatte er bereits herausgefunden.
Catriona beantwortete bereitwillig seine Fragen; sie sah keinen Grund, weshalb sie das nicht tun sollte. Und Richard überraschte sie – mit seinem Verständnis, seinem Hintergrundwissen und seiner Erfahrung. Am Ende fragte Catriona ihn: »Woher wisst Ihr das alles?« Sie schaute ihn mit gerunzelter Stirn an, dankbar, dass die Hitze zwischen ihnen wieder abgekühlt war. Sie war zwar noch nicht verschwunden, aber weniger intensiv. »Verwaltet Ihr in
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