Gezeiten der Liebe
war gerührt, als er wie selbstverständlich davon ausgegangen war, daß Aubrey sie begleiten würde. Aber die Kleine konnte das später nachholen, dachte sie. Ein Leben lang, das sie drei miteinander teilen würden. Dieser warme, windige Abend gehörte ihnen beiden allein.
Lachen stieg in ihr auf, als sie sich seine Reaktion vorstellte, wenn sie ihm den Heiratsantrag machte. Sie sah so deutlich vor sich, wie er innehalten und sie aus diesen wundervoll staunenden blauen Augen ansehen würde. Dann könnte sie lächeln und ihm die Hand reichen, während sie auf dem dunklen Wasser dahinglitten. Sie würde ihm sagen, was in ihr vorging, was sie fühlte.
Ich liebe dich so sehr, Ethan. Ich habe dich schon immer geliebt, und ich werde dich immer lieben. Willst du mich heiraten? Ich will, daß wir eine Familie sind. Ich will mein Leben mit dir verbringen. Kinder von dir haben. Dich glücklich machen. Haben wir nicht lange genug gewartet?
Dann würde auch er lächeln, das wußte sie. Dieses herrliche, verhaltene Lächeln, das sich nach und nach über die Flächen und Schatten seines Gesichts bis zu den Augen ausbreitete. Er würde vermutlich sagen, daß er sie von sich aus hatte fragen wollen. Daß er bald soweit gewesen wäre.
Sie würden zusammen lachen, und sie würden sich in den Armen halten, bis die Sonne rotglühend hinter der Küste versank. Und ihr gemeinsames Leben konnte beginnen.
»Wo bist du, Grace?«
Sie blinzelte und sah, daß Ethan ihr vom Ruder aus zulächelte. »Ich hab’ bloß geträumt«, sagte sie leise. »Der Sonnenuntergang ist die beste Zeit für Träume. Dann ist alles so friedlich.«
Sie stand auf und schmiegte sich in seinen Arm. »Ich bin so froh, daß du dir ein paar Stunden freinehmen konntest.«
»Wir werden die Arbeit an dem Boot noch diesen Monat abschließen.« Er vergrub das Gesicht in ihrem Haar. »Ein paar Wochen vor dem offiziellen Termin.«
»Ihr habt alle sehr schwer gearbeitet.«
»Es hat sich gelohnt. Der Kunde war heute da.«
»Ach?« Das gehörte auch dazu, dachte sie. Ihre ungezwungenen Gespräche darüber, was sie den Tag über gemacht hatten. »Was hat er gesagt?«
»Er hat fast ununterbrochen geredet, deshalb kriegt man meist gar nicht mit, was er meint. Er hat dies und jenes zum besten gegeben, was er in seinen Bootszeitschriften gelesen hat, und so viele Fragen gestellt, daß einem der Schädel brummte.«
»Aber hat es ihm gefallen?«
»Ich schätze, er war zufrieden, da er den ganzen Nachmittag strahlte wie ein Kind am Heiligabend. Nachdem er gegangen war, wollte Cam mit mir eine Wette abschließen, daß er das Boot auf der ersten Fahrt in die Bucht auf Grund setzt.«
»Hast du die Wette angenommen?«
Um Himmels willen, nein. Es wird bestimmt so kommen. Aber man kennt die Bucht nicht, wenn man nicht wenigstens einmal auf Grund gelaufen ist.«
Ethan würde so etwas nie passieren, dachte sie, während sie seine großen, geschickten Hände betrachtete. Er war ein perfekter Segler.
»Ich weiß noch, wie ihr diese Schlup gebaut habt.« Sie strich mit den Fingern über das Steuerrad. »Ich half draußen am Hafen aus, als ihr das erste Mal mit ihr rausfuhrt. Professor Quinn stand am Steuerrad, und du kümmertest dich um die Leinen. Du hast mir zugewunken.« Kichernd legte sie den Kopf auf die Seite und schaute zu ihm auf. »Ich war hin und weg, weil du mich beachtet hast.«
»Ich habe dich immer beachtet.«
Sie reckte sich in die Höhe und küßte ihn aufs Kinn. »Aber du hast auch immer darauf geachtet, daß ich nicht merke, daß du mich beachtest.« Spontan biß sie in seine Wange. »Bis vor kurzem.«
»Ich schätze, jetzt habe ich einfach vergessen, wie das geht.« Er wandte langsam den Kopf, um sie auf den Mund zu küssen.
»Gut.« Leise lachend legte sie den Kopf an seine Schulter. »Weil es mir nämlich sehr gut gefällt, wenn du mich beachtest und wenn ich es merken kann.«
Sie waren nicht allein in der Bucht, aber er hielt sich gekonnt fern von den durch den Sommerabend dahinrasenden Motorbooten. Eine Schar Möwen stieß aufgeregt herab und umkreiste den Bug eines Einers, auf dem ein Mädchen Brotkrumen in die Luft warf. Ihr Lachen wehte zu ihnen herüber, hell und fröhlich, und mischte sich mit den gierigen Schreien der Seevögel.
Die Brise frischte auf, blähte die Segel und vertrieb die feuchte Hitze des Tages. Die wenigen Wolken, die im Westen dahinzogen, färbten sich an den Rändern rosa.
Es ist gleich soweit.
Komisch, dachte sie, daß
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