Gezeiten der Liebe
hätte dir sehr weh tun können, und ich hätte es auch beinahe getan. Das wird nie wieder passieren.«
»Ich habe keine Angst vor dir.« Sie streckte die Hand
aus, um seine Wange zu streicheln, doch er packte ihre Hand und hielt sie fest.
»Die wirst du auch nie zu haben brauchen. Du bist sehr wichtig für mich.« Er drückte kurz ihre Hand, bevor er sie freigab. »Warst du schon immer.«
»Ich bin kein Kind mehr – ich zerbreche nicht, wenn du mich anfaßt. Ich will, daß du mich anfaßt.«
Volle, geschwungene, ungeschminkte Lippen, hallten Phillips Worte in seinem Kopf wider. Und inzwischen wußte Ethan genau – Gott helfe ihm –, wie sie sich anfühlten. »Ich weiß, daß du denkst, du wolltest es, und genau deshalb müssen wir vergessen, was neulich passiert ist.«
»Ich werde es nicht vergessen«, murmelte sie, und von dem Blick, den sie ihm zuwarf, mit weichen, verlangenden Augen, wurde ihm schwindlig.
»Es wird nicht wieder vorkommen. Also geh mir lieber eine Zeitlang aus dem Weg.« Verzweiflung lag in seiner Stimme, als er sich vorbeugte und ihre Tür aufstieß. »Ich meine es ernst, Grace – geh mir bitte eine Zeitlang aus dem weg. Ich habe schon genug Probleme.«
»Na schön, Ethan.« Sie würde nicht betteln. »Wenn es das ist, was du willst ...«
Diesmal wartete er nicht, bis sie ins Haus gegangen war, sondern setzte rückwärts aus der Einfahrt, sobald sie die Wagentür hinter sich zugeschlagen hatte.
Zum erstenmal seit vielen, vielen Jahren dachte er ernsthaft daran, sich sinnlos zu betrinken.
8. Kapitel
Seth hielt draußen Wache, um sie abzupassen. Einen überzeugenden Vorwand, um sich trotz der länger werdenden Schatten im Vorgarten herumzutreiben, boten ihm die Hunde. Aber es war nicht nur ein Vorwand, dachte er. Er versuchte Foolish beizubringen, dem ramponierten, völlig zerkauten Tennisball nicht nur nachzujagen, sondern ihn so wie Simon auch zurückzubringen. Das Problem war, daß Foolish zwar mit dem Ball zu ihm zurückgerannt kam, dann jedoch erwartete, daß er Tauziehen mit ihm spielte.
Aber das machte Seth im Grunde nichts aus. Er hatte einen ganzen Vorrat an Bällen und Stöcken und außerdem ein altes Stück Seil, das Ethan ihm gegeben hatte; damit konnte er so lange werfen und daran ziehen lassen, wie die Hunde Lust und Energie aufbrachten. Was, soweit er wußte, ewig dauern konnte.
Aber während er mit den Hunden spielte, spitzte er die Ohren, um die Geräusche des herannahenden Wagens nicht zu überhören.
Er wußte, daß sie schon auf dem Weg hierher waren, da Cam vom Flugzeug aus angerufen hatte. Was überhaupt das Coolste war, was Seth je erlebt hatte. Er konnte es kaum erwarten, Danny und Will zu erzählen, daß er mit Cam gesprochen hatte, während der gerade den Atlantischen Ozean überquerte.
Gestern hatte er Italien im Atlas nachgeschlagen und Rom gefunden. war immer wieder mit dem Finger über die weite Fläche des Ozeans zwischen Rom und der Chesapeake Bay geglitten, zu dem kleinen Fleck am östlichen Küstenabschnitt Marylands, der St. Christopher’s markierte.
Eine Zeitlang hatte er befürchtet, daß sie nicht zurückkommen würden. Er malte sich aus, wie Cam anrief und sagte, sie hätten beschlossen, dort zu bleiben, damit er wieder Rennen fahren könnte.
Seth wußte, daß Cam früher in Europa gelebt und dort an allen möglichen Boots-, Auto – und Motorradrennen teilgenommen hatte. Ray hatte es ihm erzählt, und im Arbeitszimmer lag ein dickes Album mit bebilderten Artikeln aus Zeitungen und Zeitschriften, aus denen man entnehmen konnte, wie viele Pokale Cam eingeheimst hatte. Und mit wie vielen Frauen er rumgemacht hatte.
Und er wußte auch, daß Cam gerade diese berühmte Regatta mit seinem Tragflügelboot gewonnen hatte – wie sehr Seth sich wünschte, nur einmal damit fahren zu dürfen –, als Ray gegen den Telefonmast gerast war.
Phillip hatte ihn schließlich in Monte Carlo aufgestöbert. Diese Stadt hatte Seth auch im Atlas gefunden, und sie schien nicht viel größer zu sein als St. Chris. Aber dort gab es einen Palast und vornehme Casinos, und sogar einen Fürsten.
Cam war rechtzeitig nach Hause gekommen, um mitzuerleben, wie Ray starb. Seth wußte, daß er ursprünglich nicht lange hatte bleiben wollen. Aber dann blieb er. Nach einem Streit hatte er Seth versprochen, nicht wegzugehen. Sie wären jetzt eine Gemeinschaft, die zusammen durch dick und dünn gehen müsse.
Aber das war vor seiner Hochzeit gewesen, bevor er nach
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