Gezeiten der Sehnsucht - Feehan, C: Gezeiten der Sehnsucht - Dangerous Tides (4 - Libby)
sie beiläufig. »Ich habe mir überlegt, dass ich wieder mal einen Artikel für das American Medical Journal schreiben könnte.«
»Ach? Und worüber?«
»Über multiple Orgasmen bei Männern. Du würdest ein phantastisches Studienobjekt abgeben. Ich glaube, wenn wir dich beim Sex ein paarmal an ein EEG hängen …« Sie ließ ihren Satz mit einem kleinen Aufschrei enden, als er seinen Kaffeebecher abstellte und sich auf sie stürzte. »Das war nur ein Witz. Es sollte wirklich nur ein Witz sein!«
Er schlang ihr die Arme um den Hals, zerzauste ihr Haar und küsste sie. »Zieh dich an und hör auf, mich in Versuchung zu führen. Du kannst mich bei Sam absetzen. Ich muss noch mit ihm reden und ein paar Anrufe erledigen. Ich hoffe, dass ich einiges aus dem Labor retten kann. In erster Linie ist die linke Hälfte getroffen worden. Dort dürfte so gut wie alles beschädigt sein, aber mit etwas Glück gelingt es mir, noch etwas zu retten. Wir können uns dann heute Abend wieder hier treffen.«
Erst als sie beide angezogen waren, im Wagen saßen und auf der Schnellstraße zu Ida Chapmans Haus fuhren, fragte Libby: »Du hast mir noch nicht erzählt, was dir zu dem Medikament eingefallen ist.«
Er fuhr sich mit einer Hand durch das Haar und wirkte aufgeregt. »Ich glaube, Harry war eindeutig auf dem richtigen Weg. Die Chancen stehen gut, dass dieses Medikament zumindest dafür eingesetzt werden kann, das Wachstum von Krebszellen zu hemmen, ähnlich wie die Hormontherapie bei Brustkrebs. Das Problem besteht nur darin, dass das Risiko für Heranwachsende zu groß ist.«
»Und du glaubst, du hast die Lösung für dieses Problem entdeckt ?«
»Depressionen können durch ein chemisches Ungleichgewicht im Gehirn ausgelöst werden, stimmt’s? Das wissen wir bereits. Serotonin ist ein Neurotransmitter, der Botschaften von einer Nervenzelle zur anderen befördert. Depressionen können auftreten, wenn der Serotoninspiegel aus dem Gleichgewicht geraten ist.«
»Und daraus erklärt sich die Wirkung von Antidepressiva.« Er hielt eine Hand hoch. »Aber auch die wirken im Gehirn eines Heranwachsenden nicht immer so wie im Gehirn eines Erwachsenen, stimmt’s? Sogar mit diesen Medikamenten gibt es Probleme bei Jugendlichen.«
»Das ist wahr.«
»Im peruanischen Regenwald wächst in der Nähe des Ibenkiki Cyperus ein Pilz, der Balansia Fungus genannt wird und Alkaloide enthält. Dieser Pilz befällt ganz selbstverständlich die Ibenkiki-Pflanze. Ich glaube, der Balansia-Pilz ist die Ursache für die medizinisch wirksamen Eigenschaften, aber Harry hat meine Befunde nicht berücksichtigt und Teile des Ibenkiki ohne die dazugehörige Menge Balansia verwendet. Er vertritt die Theorie, dass sich ein Pilz in ähnlicher Form wie Krebs ausbreitet und sich deshalb auch der Zellen der Pflanze bemächtigt.«
Libby zog die Stirn in Falten. »Du sprichst von Mutterkornalkaloiden. Viele der Mutterkornalkaloide haben eine toxische Wirkung auf das Zentralnervensystem. Das kann sehr, sehr gefährlich sein. So ist LSD entdeckt worden. Und ich muss dir sagen, ich habe den Verdacht, mit dem ich keineswegs allein dastehe, dass genau das zum Wahnsinn der Hexenprozesse hier in Amerika kurz nach 1600 geführt hat. Die Kolonisten haben vergifteten Roggen gegessen, Halluzinationen bekommen und sind ausgerastet. Und bevor du dich auf eine Diskussion mit mir einlässt, solltest du eines wissen – mir ist durchaus bewusst, dass Dopamin ein Derivat ist, das zur Behandlung der Parkinson’schen Krankheit eingesetzt wird, und dass der Mutterkornpilz die Grundlage für viele Medikamente zur Bekämpfung von Migräne ist.«
»Es dreht sich alles um Serotonin. Verstehst du das denn nicht? Es ist absolut einleuchtend. Ich weiß, dass ich Recht habe, Libby. Ich fühle es immer, wenn ich auf der richtigen Fährte bin, und dies ist die richtige Spur. Das Medikament muss bestimmte Mengen Balansia enthalten. Wir müssen diese Mengen genau festlegen. Die Chemie des Gehirns, vor allem des Gehirns Heranwachsender, bleibt weiterhin ein wichtiges Feld, das noch zu erforschen ist.«
Sie bog in die Auffahrt vor seinem Haus ab. »Viel Glück, Ty. Wenn du dich heute Abend nicht im Haus einfindest, mache ich mich auf die Suche nach dir.«
»Ich werde dort sein. Ich habe ein paar Dinge zu erledigen, aber in diesem Durcheinander hier kann ich nicht wirklich arbeiten. Es könnte aber sein, dass ich mehrfach hin und her fahre, um zu versuchen, möglichst viel zu retten.« Er
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