Gezeiten der Sehnsucht - Feehan, C: Gezeiten der Sehnsucht - Dangerous Tides (4 - Libby)
unaufgefordert hinsetzten.
»Ihnen ist wohl nicht aufgefallen, dass Sie uns beim Essen stören«, sagte Ty sarkastisch zur Begrüßung. Er hob eine Hand, um den Kellner herbeizurufen.
Einer der Männer ließ sein Jackett mit einer lässigen Bewegung verrutschen, um eine Pistole in einem Schulterhalfter freizulegen. Das wirkte auf Tyson nicht etwa ernüchternd, sondern ließ Wut in ihm auflodern. Fast hätte er sich über den Tisch gebeugt, um den Mann zu würgen. Libbys bleiches Gesicht und ihre Finger, die sich um seine spannten, als wollte sie ihn zurückhalten, entgingen ihm keineswegs. »Soll mich das etwa einschüchtern?«
»Ich möchte ein paar Worte mit der jungen Dame wechseln«, sagte der größte der drei Männer mit gesenkter Stimme. »Ich bin John Sandoval, und das sind meine Kollegen. Ich bin im Auftrag meines Chefs hier, der Edward Martinelli heißt. Ich werde ihre Zeit nur für ein paar Minuten in Anspruch nehmen und das wird ihr viele Unannehmlichkeiten ersparen. Ich bin sicher, dass sie diese Fotografien ungern veröffentlicht sähe.« Er warf etliche Bilder vor Ty auf den Tisch.
Tyson warf einen Blick darauf. Sie zeigten ihn in seinem Krankenhauszimmer und waren offensichtlich durch die Trennscheibe aus Glas aufgenommen worden. Er schien in einer sehr schlechten Verfassung und bewusstlos zu sein, und sein Körper war durch Schläuche und Röhrchen mit Geräten verbunden. Libby stand neben ihm und war über seinen bewusstlosen Körper gebeugt. Der Blitz musste sich in der Scheibe gespiegelt haben, denn sie schien zu leuchten, als strahlte ihr Körper ein eigentümliches Licht ab. Sie sah aus, als sei sie in eine weiß glühende Aura gehüllt. Ihre Hände lagen auf seinem Kopf, und ihre Augen waren geschlossen.
Sein Herz machte einen gewaltigen Satz in der Brust und begann dann zu hämmern. Ihr Gesicht drückte Schmerz aus, oder vielmehr Folterqualen, die sie schier zu zerreißen drohten. Und auf jeder weiteren Aufnahme schienen diese sich zu verschlimmern, bis Blut ihre Mundwinkel sprenkelte und Tränen über ihr Gesicht rannen. Das letzte Bild zeigte ihn munter und vollständig bei Bewusstsein, während Libby sich an die Wand kauerte und verloren und verletzbar wirkte.
»Wie Sie selbst sehen können, wäre es nicht gut«, sagte John, während er sich vorbeugte und mit seinem Daumen die Bilder durchblätterte, »wenn die Revolverblätter diese Fotos und eine Kopie der CT-Aufnahmen Ihres Gehirns nach Ihrem Unfall in die Hände bekämen.«
»Und wie genau könnten Sie an diese vertraulichen Unterlagen gekommen sein?«, wollte Libby wissen. Ihre Finger spannten sich um Tysons Hand, bis ihre Knöchel weiß wurden, aber ihre Stimme blieb ruhig.
John zuckte die Achseln. »Das Personal in diesen Krankenhäusern ist so achtlos und lässt die Unterlagen der Patienten sonst wo herumliegen. Mein Chef verlangt nicht mehr von Ihnen als ein paar Minuten Ihrer Zeit. Ich denke, Sie hätten ihn bestimmt nicht gern zum Feind.«
»Und ich kann ihm nur davon abraten, mir zu drohen«, sagte
Libby, und in ihren grünen Augen begann stiller Zorn zu schwelen. Der Rotwein in Tysons Glas sprudelte und an der Oberfläche bildete sich blutroter Schaum. Libby versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie gut der Hieb saß. Wenn diese Bilder in einem der Schundblätter abgedruckt wurden, würden sie und ihre Schwestern ein gefundenes Fressen für die Medien sein.
»Edward Martinelli ist ein Freund von mir«, sagte Ty. »Wir gehen zusammen zum Rafting und zum Bergsteigen. Ich werde ihn anrufen und ihm mitteilen, dass Sie Miss Drake schikanieren und ihr drohen.« Tyson schob die Fotografien über den Tisch zurück, und auf seinen Gesichtszügen drückte sich blanke Verachtung aus. »Jeder kann an Fotos herumpfuschen. Dazu braucht man nichts weiter als die richtige Software, mit der sich jeder gewünschte Effekt erzielen lässt. Ihre angeblichen Beweise beeindrucken mich überhaupt nicht.«
Libby wagte es nicht, Tyson anzusehen. Sie schnappte einige seiner Gedanken auf. Er glaubte nicht an die Gaben der Drake-Schwestern und war der Meinung, wenn sie nicht derart darauf versessen wären, aller Welt weiszumachen, sie besäßen magische Kräfte, dann käme es gar nicht erst zu solchen Drohungen. Ihm war nicht aufgefallen, dass der Wein in den Gläsern und der Kaffee in den Tassen sprudelten und schäumten. Sie holte Luft und atmete langsam wieder aus, um sich zu beruhigen. So beiläufig wie möglich legte sie ihre Hand auf
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