Gezeiten der Sehnsucht - Feehan, C: Gezeiten der Sehnsucht - Dangerous Tides (4 - Libby)
einen Schritt zur Seite und wich seinem Angreifer mit einer unerwartet geschmeidigen Bewegung aus. Harry landete hart auf dem Boden vor seinen Füßen.
»Du hattest doch gewiss nicht vor, mich anzugreifen, Harry?«, fragte Ty, dem die Belustigung deutlich anzuhören war. »Du bist ein erwachsener Mann und solltest etwas würdevoller auftreten.«
Libby wich weiter zurück, als Harry finster zu Tyson aufblickte. Tyson hatte ihn mit seinem Tonfall eindeutig verhöhnt.
Harry kam mit geballten Fäusten wieder auf die Füße. »Du hältst dich ja für so überlegen, Derrick. So war es schon immer. Glaubst du, dein Geld macht dich über jeden anderen erhaben ?«
»Geld ?«, fragte Ty verblüfft. Auf den Gedanken war er offensichtlich noch gar nicht gekommen. »Arbeitsethos, Harry, die Liebe zur Wissenschaft. Intelligenz wäre auch eine Überlegung wert.«
Harry versuchte erneut, mit wüsten Schwingern auf Ty einzuschlagen. Doch dieser fing die Schläge geschickt ab und klatschte Harry zweimal leicht auf die Wange. Das schien Harry nur noch mehr in Rage zu bringen.
Joe Fields ging dazwischen, packte Harry und zerrte ihn fort. »Wenn er wollte, könnte er dich eindeutig zu Brei schlagen, Harry. Damit ist niemandem geholfen. Wir sind hierher gekommen, um vernünftig miteinander zu reden.«
»Wie könnte man mit diesem selbstgefälligen Mistkerl vernünftig reden?«, fragte Harry. Sein Blick fiel auf Libby. »Der einzige Grund, weshalb sich jemand freiwillig mit ihm abgeben würde, ist sein Geld. Nichts anderes könnte diesen ekelhaften Kerl erträglich machen.«
Libby sah Tyson an. Ein Muskel dicht neben seiner Mundpartie zuckte, und seine Augen wurden eisig. Abgesehen davon war es nahezu unmöglich, ihm äußerlich anzumerken, dass Harrys Pfeil ein Ziel gefunden hatte, aber sie fühlte den stechenden Schmerz. Harry hatte einen viel größeren Treffer gelandet, als ihm klar war. Diese Erkenntnis brach schlagartig über Libby herein. Tyson hielt sich nicht für liebenswert. Wieso auch? Seine Eltern hatten ihn nicht verstanden und ihn nicht um sich haben wollen, und sogar Sam sagte ihm, wie schwer er manchmal zu ertragen war. Sie litt mit ihm. Er stand
mit zurückgezogenen Schultern groß und aufrecht da und sah Harry Jenkins fest an.
»Du kannst über mich sagen, was du willst, Harry, aber das ändert nichts an den Tatsachen. Das Medikament weist Mängel auf, und es wird Menschen töten. Du hast nicht die Absicht, die Fehler zu beheben. Du willst für deine Arbeit respektiert werden, aber diesen Respekt wirst du niemals bekommen, es sei denn, du legst deine schlampige Arbeitsweise ab. Das Medikament könnte irgendwann einmal eine ganz erstaunliche Entdeckung sein, aber nicht in seiner derzeitigen Form. Du überstürzt die Dinge, um Ruhm einzuheimsen.«
»Als ob es dir etwas ausmachen würde, wenn Leute sterben«, fauchte Harry ihn an. »Dir wäre es doch vollkommen gleichgültig, wenn die Hälfte der Weltbevölkerung der Pest zum Opfer fiele. Versuch bloß nicht, dich selbst als jemanden hinzustellen, der die Welt retten will.«
»Schluss jetzt«, brach es aus Libby heraus. Sie trat einen Schritt vor, marschierte durch den Gang zwischen den Arbeitsplatten und baute sich mit den Fäusten in den Hüften vor Ty auf. »Es reicht. Sie sind nicht hergekommen, um vernünftig über ein Medikament zu reden, das offensichtlich bei einer bestimmten Altersgruppe beträchtliche Nebenwirkungen hat. Ich habe schon vor Monaten Gerüchte über diese Nebenwirkungen gehört, aber seit Sie in dieses Haus gestürmt sind, haben Sie Ty noch nicht einmal gefragt, was ihm Sorgen bereitet oder was er in der Zwischenzeit herausgefunden hat. Keiner von Ihnen beiden hat sich danach erkundigt. Das zeigt in meinen Augen keine Spur von Verantwortungsbewusstsein. Sie können bis Weihnachten hier stehen bleiben und Ty alle erdenklichen Beschimpfungen an den Kopf werfen, aber wenn er der Überzeugung ist, dass mit dem Medikament etwas nicht stimmt, dann können Sie darauf wetten, dass die Sache einen Haken hat. Und so etwas können Sie nicht geheim halten.«
Joe Fields schüttelte den Kopf. »Dr. Drake, diese Auseinandersetzung
ist ziemlich übel verlaufen, aber wir sind tatsächlich hergekommen, weil wir versuchen wollten, eine Lösung für die Situation zu finden. Ich bin sicher, Sie können die Reaktionen eines Mannes verstehen, der sieht, dass ihm jemand seine gesamte Arbeit stiehlt.«
»Stiehlt?« Libby schüttelte die Hand ab, mit der Ty sie
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