Gezeiten des Krieges
Raum war mit einem Dutzend Leuten gefüllt, die Mai als Kandidaten für einen Platz im entstehenden Haus Ijori erachtete. Der größte Teil von Evans Studentengruppe war anwesend, mit der schmerzlichen Ausn ahm e von Mark Lo. Jenna Ly nn Tang stand in der Nähe, schreckte aber vor der Wut auf seinem Gesicht zurück. Colonel Feldspar und Field Sergeant Hoi hatten drei Seniorkadetten ausgewählt, um Infanterie und Panzertruppen besser abzudecken. Tori Yngstram, Whit Gregori und zwei weitere Ijori-De-Guäng-Zellenführer. Das alles waren Leute, denen er ungesehen vertraute. Und dann war da der unvermeidliche Maskirovka-Agent, Michael Yung-Te.
Evan schenkte keinem von ihnen Beachtung.
Es war Mai Uhn Wa, dem nicht zu trauen war.
Die Nachricht war an diesem Morgen eingetroffen. Mit Schleichanzügen hatte die Dynastie-Garde die Bergfestung des Liao-Kults eingenommen. Offensichtlich hatte man sie hinsichtlich der Verteidigungsanlagen vorgewarnt. Evan hatte die erste Meldung um Stunden verpasst, weil er damit beschäftigt gewesen war, das Zimmer zu durchsuchen, das >Ritter Michaelson< auf dem Campus benutzt hatte, und danach bei seinen Kontakten in Chang-an nachzuforschen, ob sie eine Spur des Verräters hatten. Einerseits war ihm bewusst, dass Daniel Peterson nur ein kleines Rädchen im Konflikt zwischen der Konföderation Capella und der Republik war. Doch gleichzeitig wollte er ihn mit bloßen Händen erwürgen. Wenn es einen Menschen gab, der unmittelbar Verantwortung für den Tod von Evans Eltern trug, dann war es Daniel Peterson.
Doch niemand wusste, wo Michaelson war.
Erst als er wieder zurück ins Konservatorium kam, hatte Evan die Nachricht erhalten: Sun-Tzus Leichnam befand sich in der Hand der Dynastie-Garde. Jetzt stand er bebend im Taktikraum. Seine Hände ballten und öffneten sich krampfhaft.
»Sie haben Rieves den Schrein ausgehändigt!«
Mai hatte sich eine paramilitärische Uniform aus einer braunen Feldmontur zugelegt, deren Stoff an Unterarmen und -schenkeln durch grüne PlaststahlMaschen ersetzt war. Der alte Mann ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Unsere endgültige Truppenstärke beläuft sich auf nur fünf BattleMechs, Evan. Es ist unmöglich, den Kampfschützen früher als in einer Woche wieder in Dienst zu stellen.«
Evan starrte seinen Mentor, seinen Meister an. Für einen Moment fehlten ihm die Worte, dass Mai auf diesen Verrat nicht einmal einging. »Haben Sie gedacht, meine Verbindungsleute würden das nicht melden?«, fragte er mit erstickter Stimme. »Ich wollte es nicht glauben. Aber das Landungsschiff der Garde steht im Tal. Genau auf dem Bauernhof, vermute ich.«
»Was Panzer und Infanterie betrifft, sind wir besser ausgestattet, auch wenn man unsere Krötenrüstungen bestenfalls als bunt gemischt bezeichnen kann und unsere Fahrzeuge eher leicht sind.«
»Zur Hölle mit Ihnen, Mai!« Evan stampfte weiter in den Raum und erreichte den Kartentisch, um den sich der größte Teil der Gruppe versammelt hatte. Er zeigte einen Plan des Konservatoriums, mit Symbolen, die über dem Campus verteilt waren und anzeigten, wo die verbündeten Kräfte standen. »Wie viele Beschützer sind dafür gestorben? Wie viele habe ich mitgeholfen zu verraten?«
»Acht.«
Es war die erste direkte Antwort, die Mai ihm gab, und er tat es mit einer Nüchternheit, die kalt und grausam wirkte. Das half Evan, sich wieder zu fassen und vor gerechtem Zorn zu kochen. »Wer hat Ihnen das Recht gegeben, derartige Entscheidungen ...«
»Du.« Diesmal gestattete der Haus-Meister Evan nicht, zu Ende zu sprechen, sondern schnitt ihm mit einer Hand, die peitschenartig durch die Luft zuckte, das Wort ab. »Ich habe dir dort gesagt, was du mir gezeigt hast. Sei größer als wir beide. Es war meine Entscheidung, damit so umzugehen, wie ich es für richtig halte.«
»Seinen Körper der Dynastie-Garde zu übergeben, war nicht die Lösung, an die ich dabei gedacht habe. Sie hätten mich fragen sollen.«
»Du hast mir die Treue geschworen, Evan. Aus freien Stücken. Entweder bin ich der Herr über dein Leben oder ich bin es nicht. Das sind die Gesetze eines Kriegerhauses. Ein Meister. Einer!«
Evans Antwort erstarb, als Jenna herantrat und ihm die Hand auf den Arm legte. Er verstand die Warnung. Trotz aller Wut und der kalten Leere, die ihn erfüllte, erkannte er, dass er Mai Uhn Wa nicht überrumpelt hatte. Im Gegenteil. Mai hatte auf ihn gewartet, hatte dafür gesorgt, dass sich diese Konfrontation vor aller Augen
Weitere Kostenlose Bücher