Gezeiten des Krieges
aber militärisch steif über sich ergehen lassen. Daniel kehrte freiwillig zurück. Er war das Davonlaufen leid. Nach zwei Tagen ohne Schlaf und fast ohne Essen, konnte er nur hoffen, der Wahrheit halb so gut ins Gesicht schauen zu können.
Die Wachen am Eingang der Basis arbeiteten mit der üblichen Effizienz, überprüften Ausweise, winkten Personen- und Lastwagen weiter. Ein jugendlicher Corporal warf einen Blick auf den Aufkleber an der Windschutzscheibe, der dem Fahrer ungehinderten Zugang gestattete, und hatte den Schlagbaum bereits gehoben, als Daniel anhielt, um ihm Ritter Mi-chaelsons gefälschte Papiere zu übergeben.
»Lieutenant Daniel Peterson für Legat Ruskov«, meldete er sich gelassen.
Corporal Paullat machte sich nicht die Mühe, die Brieftasche zu öffnen. Seine Augen wurden groß. In den vergangenen zwei Tagen hatten die Medien dafür gesorgt, dass der ganze Planet Daniels Gesicht augenblicklich erkannte.
»Lieutenant ...« Es lag kein Respekt in der Wiederholung des Titels, nur Betroffenheit. »S-sir. Sie ... sind verhaftet.«
Daniel nickte. »Sagen Sie der MP, sie kann mich an der Kommandantur erwarten.« Er fuhr ohne sich umzudrehen weiter. Der Corporal hatte nicht die Zeit, sich an die Waffe in dem Hüftholster zu erinnern.
Der erste Streifenwagen der Militärpolizei hängte sich ihm eine Querstraße weiter ans Heck, und zwei weitere gesellten sich dazu, bevor er auch nur in die
Nähe von Ruskovs Befehlsstand kam. Ein mit Sturmgewehren bewaffneter Infanteriezug wartete vor der Tür, verstärkt durch Kröten auf dem Dach. Vier Militärpolizisten näherten sich dem Wagen, die Hände am Pistolengriff, und befahlen ihm auszusteigen. Daniel gehorchte mit langsamen Bewegungen. Er wusste sehr genau, wie viele Waffen auf ihn gerichtet waren. Also achtete er darauf, seine Hände die ganze Zeit deutlich sichtbar zu halten. Die MPs tasteten ihn nach Waffen ab, dann legten sie ihm Handschellen an und befestigten sie an der Vorderseite eines Ledergürtels, den sie ihm um die Hüfte schnallten. Mit einem MP auf jeder Seite, der ihn am Ellbogen hielt, wurde Daniel Peterson schließlich ins Gebäude gebracht.
Man führte ihn den wohlbekannten Gang hinab, durch eine Tür und ein angrenzendes Büro, bis er vor Legat Viktor Ruskov stand. Der Legat saß im Sessel, die Hände um die Armstützen gelegt. Sein normalerweise flach geschorenes, aschblondes Haar wirkte verwahrlost. Er hatte es eine Weile nicht schneiden lassen. Außerdem hatte er dunkle Ringe unter den Augen. Lange Zeit sagte er gar nichts. Daniel stand stocksteif vor dem Schreibtisch und ließ es über sich ergehen.
»So«, stellte Ruskov schließlich fest. »Also so sieht Verrat aus.«
Schlafentzug und Hunger hatten bei Daniel ihre Spuren hinterlassen. Es hatte ihn erhebliche Mühe gekostet, sich auch nur zu rasieren, bevor er an diesem Morgen die Herberge verlassen hatte, in der er sich zwei Tage versteckt und nachgedacht hatte. »Sie haben keine Ahnung, wer ich bin«, erwiderte er jetzt. »Ne hm en Sie mich fest oder erschießen Sie mich, Legat.« Er schaute beiseite. »Mir ist gleich, was Sie glauben.«
»Wenn das stimmt, warum sind Sie dann zurückgekommen? Sie sind doch schon einmal untergetaucht. Zweimal sogar.«
Daniel biss sich von innen auf die Wangen, versuchte Zeit zu gewinnen. Seine Augen brannten und er blinzelte. »Diesmal nicht. Was immer jetzt geschieht, ich werde es durchstehen, ohne mich ständig umschauen zu müssen.«
»Sehr großmütig von Ihnen.« Ruskov klang nicht sehr erfreut. »Haben Sie eine Ahnung, was Sie diese Welt gekostet haben? Gerade sind die Aufstände abgeklungen, und schon herrscht wieder Aufruhr. Ich habe fünfzehn neue Fälle, Offiziere, die sich unerlaubt von der Truppe entfernt haben. Fragen Sie mich lieber nicht, wie es bei den Mannschaftsgraden aussieht. Und ich weiß nicht einmal, ob es Deserteure, Überläufer oder Tote sind. Die öffentlichen Reaktionen auf beiden Seiten der Capella-Frage war unglaublich. Haben Sie mich in die Falle gelockt, Mi-chaelson? Crow ... wie zum Teufel soll ich Sie ansprechen?«
»Daniel. Mein Name ist Daniel.«
Das zumindest schien er zu akzeptieren. »Und?«, fragte er wieder.
»Habe ich Sie in die Falle gelockt? Nein. Man hat mich in die Falle gelockt. Wie eine Marionette manipuliert. Geradezu meisterhaft.«
»Ach, Sie sind unschuldig?« Ruskovs Sarkasmus war unüberhörbar.
»Nein, ich bin scheißschuldig, Viktor.« Einer der MPs schüttelte ihn, und Daniel
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