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Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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die Home Guard, wenn man entweder zu jung oder zu alt zum Kämpfen war. Von Hugh und Danny weiß ich nichts, aber Archie lebt auf jeden Fall noch …
    Danny. Daniel. Der geheimnisvolle dritte Mann. Der Mann, an dessen Nachnamen sich keiner erinnert. Der Mann, der verschwunden ist. Aber Hugh hat einen Brief von ihm bekommen, und wie Nelson Hugh kennt, wird er den aufgehoben haben.
    Noch einmal blättert er die Unterlagen durch und hält nach Namen Ausschau, die mit D anfangen. Daniel Abse, der Abgeordnete. Danny DeVito, der Schauspieler – Hugh war erstaunlicherweise ein großer Fan der amerikanischen Comedyserie Taxi . Daniel Barenboim, den er für seine Kulturarbeit im Nahen Osten bewunderte. Aber kein Brief von einem alten Kameraden namens Daniel oder Danny.
    Schließlich schlägt Nelson in seiner Verzweiflung noch einmal im Pfarrbrief für Broughton und Rockham nach. Und da, zwischen einem Rezept für Schnecken-Auflauf und einem Aufruf der Kampagne Dig for Victory! , entdeckt er in der Ausgabe vom Dezember 1940 folgende Notiz:
    JUNGER MANN AUS BROUGHTON: TRAGISCHER TOD
    Die Leiche, die in Broughton an Land gespült wurde, konnte gestern als die sterblichen Überreste von Daniel West (18), dem Sohn von Marjorie West und ihrem verstorbenen Mann Lawrence, wohnhaft in der High Street von Broughton, identifiziert werden. Daniel lernte in der Autowerkstatt Jensen Maschinenschlosser und war ein eifriges Mitglied der Home Guard. Zum Jahreswechsel hoffte er, eingezogen zu werden. Mr. Stephen Jensen (50) beschrieb den jungen Mann als «sehr fleißigen Arbeiter» und sprach seiner Mutter sein Beileid aus.
    Dann war Daniel West also nur wenige Monate nach der Ermordung der sechs Deutschen gestorben. Kaum vorstellbar, dass sowohl Irene als auch Archie diesen Vorfall vergessen haben sollen. Aber noch weniger vorstellbar ist es, dass Hugh Anselm einen Brief von Daniel bekommen hat, siebzig Jahre nach dessen Tod. Das kann unmöglich derselbe Daniel sein. Oder?
    Nelson schreckt auf, als sein Handy klingelt. Erst findet er es gar nicht, weil es in die Kiste mit den Unterlagen gefallen ist. In letzter Sekunde erwischt er es noch.
    Clough ist dran.
    «Ich glaube, Sie sollten kommen, Boss. Es ist wegen dieser Maria. Sie glaubt, da will sie einer umbringen.»

[zur Inhaltsübersicht]
    28
    Als Nelson Marias Wohnung erreicht, ist es schon nach Mitternacht. Maria sitzt am Tisch, neben sich Clough. Ein Streifenpolizist sucht die Gegend rund um das Haus ab. Im Doppelbett liegt George und schläft. Das Ganze hat etwas Unwirkliches, was nicht zuletzt daran liegt, dass sie ihr Gespräch im Flüsterton führen müssen. Bis auf Georges Nachtlicht, das blaue Monde und Sterne an die Decke malt, ist es ganz dunkel im Raum. Maria ist sichtlich aufgelöst. Sie hat einen Becher vor sich stehen, und ihre Hände zittern, wenn sie ihn hochhebt, um daraus zu trinken.
    «Ich habe ihr einen Tee gemacht», sagt Clough. Für Nelsons Ohren hört sich das sehr nach Rechtfertigung an.
    «Prima. Ich werd Sie für einen Orden vorschlagen.»
    «Sie war fix und fertig.»
    Maria blickt ihn aus riesigen, verweinten Augen an. «Da wartet jemand vor meinem Haus. Jemand will mich umbringen.»
    «Schon gut, Maria. Fangen wir mal ganz vorne an.»
    Nelson spricht leise, doch trotzdem bewegt sich George im Schlaf, und Maria droht gleich wieder die Fassung zu verlieren. «Er muss doch schlafen! Er hat Schule, morgen!»
    «Schon gut, schon gut.» Nelson spricht noch ein wenig leiser. «Jetzt erzählen Sie mir mal von dem geheimnisvollen Fremden vor dem Haus.»
    «Es war so um neun. Ich habe aus meinem Fenster geschaut, und da ich habe ihn gesehen. Wie mich anschaut.»
    «Wo genau stand er?»
    Maria führt Nelson ans Fenster und zeigt hinaus. Die Tankstelle ist verlassen, nur aus dem Lädchen kommt noch Licht, ebenso wie von der riesigen Tafel mit der VW-Golf-Reklame. Als Nelson hinausschaut, sieht er einen Polizisten näher kommen, der mit seiner Taschenlampe weite, schweifende Kreise beschreibt. Nelson erkennt ihn: Roy «Rocky» Taylor, ein junger Mann hier aus der Gegend. Nicht gerade der Hellste.
    «Da stand er», sagt Maria. «Und hat geschaut hoch. Ich habe ihn gesehen um neun, um zehn und noch mal um elf.»
    «Und die ganze Zeit stand er da.»
    «Ja. Aber um zehn nach elf, es hat geklingelt an meine Tür. Ich wusste, das ist er.»
    «Haben Sie aufgemacht?»
    «Nein. Ich habe angerufen die Nummer hier. Von der Polizistin, die mit Ihnen war, Judy.» Sie zeigt ihm Judys

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