Gezeitengrab (German Edition)
sich auch amüsiert?»
«Ruth? Ich glaube, die ist ziemlich früh gegangen. Aber Tatjana hat bei mir übernachtet. Sie war schon um acht wieder joggen. Die Frau ist echt unglaublich.»
«Haben Sie was über Dieter Eckharts Angehörige herausgefunden?», fragt Nelson.
«Ja.» Judy sieht ihn vielsagend an. «Ich habe bei der Universität angerufen. Anscheinend war er verheiratet und hatte zwei Kinder.»
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19
«Dann war er also die ganze Zeit verheiratet?», fragt Ruth.
«Anscheinend.» Nelson kann den Blick nicht von Kate abwenden. «Seine Frau kommt morgen hier an. Sie wird seine Leiche im Flugzeug mit nach Hause nehmen.»
«Weiß Clara davon? Also, dass er verheiratet ist, meine ich?»
«Keine Ahnung.» Nelson hat angefangen, aus roten und gelben Bauklötzen einen Turm zu bauen. Kate sieht ihm gebannt dabei zu.
Am Morgen war Clara Hastings auf dem Revier, um ihre Aussage zu machen. Nelson hat Judy gebeten, Eckharts Frau ganz beiläufig zu erwähnen. Clara hat keine Miene verzogen. Am Ende des Gesprächs kamen ihr aber doch die Tränen.
«Das muss schwer für Sie sein», sagte Judy mitleidig. Sie ist einfach gut in so was.
«Ich habe nur gerade an seine Kinder gedacht.» Clara schniefte.
Von den Kindern wusste sie also.
Nelson legt einen letzten Bauklotz auf den Turm und stößt dann alles um. Kate lacht begeistert. Sie hat große Freude am Zerstören. Fast bereut es Ruth, dass sie Nelson erlaubt hat zu kommen, während Kate da ist. Es macht ihr zu schaffen, die beiden zusammen zu sehen. Denn obwohl sie sich wünscht, dass Nelson seine Tochter liebt – und damit eventuell ja auch sie, Ruth? –, weiß sie doch, dass ihre Lage umso komplizierter wird, je mehr Nelson sich einbringt.
«Was hat die Obduktion ergeben?», fragt sie, um ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen.
«Eckhart wurde mit einem scharfen Gegenstand aus Metall erstochen. Vermutlich mit einer Schere.»
«Eine Schere?»
«Eine Arbeitsschere. Eine, wie man sie zum Schneidern verwendet oder zur Gartenarbeit. Anscheinend war sie extra frisch geschliffen.»
«Geschliffen. Dann war das also geplant? Nicht im Affekt?»
«Nein», antwortet Nelson nüchtern. «Da hat jemand seine Schere geschärft und gewartet.»
«Hast du irgendeine Vorstellung, wer?»
«Vorstellungen hab ich jede Menge», brummt Nelson. «Und eine abwegiger als die andere.»
«Glaubst du, Archie Whitcliffe und Dieter Eckhart wurden von derselben Person ermordet?» Nelson hat Ruth von Archies Obduktionsergebnis erzählt. Tod durch Ersticken lautete das Urteil, vermutlich unter Zuhilfenahme eines Kissens.
«Ja.» Nelson wendet immer noch keinen Blick von Kate, die jetzt nachdenklich an einem Bauklotz lutscht. «Die Methoden sind zwar unterschiedlich, aber ich bin mir sicher, dass der Mord an den sechs Deutschen der gemeinsame Nenner ist. Irgendwer ist bereit zu töten, damit die Sache nicht ans Licht kommt. Da ist ja auch noch Hugh Anselm, der Alte auf dem Treppenlift. Ich bin mir sicher, der wurde auch ermordet.»
«Aber das klingt alles so weit hergeholt», mault Ruth. «Wie aus irgendeinem Krimi.»
«Archie Whitcliffe war ein großer Krimileser», sagt Nelson. «Er hat seiner Pflegerin einen ganzen Stoß von den Dingern hinterlassen.»
«Ach ja?» Ruths Interesse ist geweckt. «Welche denn?»
«Keine besonderen. Ich hatte ja gehofft, sie wären vielleicht etwas wert. Die Pflegerin hat schließlich keinen Penny. Aber dann waren’s doch nur lauter alte Taschenbücher. Fast alle aus dem Secondhand-Laden.»
«Hast du eine Liste der Titel?»
«Ja, die hab ich irgendwo. Wieso interessiert dich das so?»
«Keine Ahnung. Nur so ein Gedanke.»
Nelson bittet Judy, die Auflistung der Titel zu faxen – Ruth ist vermutlich der letzte Mensch auf Erden, der noch ein Faxgerät besitzt. Sie liest die Liste durch, während Nelson mit Kate «Kuckuck!» spielt. Wenn Clough ihn so sehen könnte!
Die dritte Wahrheit von Kurt Aust
Jack Taylor liegt falsch von Ken Bruen
Das Böse unter der Sonne von Agatha Christie
Das vierte Protokoll von Frederick Forsyth
Die neununddreißig Stufen von John Buchan
Der Hund der Baskervilles von Arthur Conan Doyle
Still ruht der See von Martha Grimes
Die gebogene Kerze von Edgar Wallace
«War da noch etwas dabei?», fragt Ruth. «Oder nur diese Liste?»
«Ach, irgendein Blödsinn über die Reihenfolge, in der sie gelesen werden sollen. Weiß ich gerade nicht mehr so genau. Frag Judy.» Und damit verschwindet
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