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Gezeitengrab (German Edition)

Gezeitengrab (German Edition)

Titel: Gezeitengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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dritt am Tisch in Ruths Haus zu sitzen und Ruths Tee zu trinken. Auf Ruths Baby aufzupassen. Clara hält ihren Becher mit beiden Händen umschlossen und schaut versonnen ins Leere. Cathbad gibt zwei Stück Zucker in Judys Tee, was seltsam ist, weil er vorher gar nicht gefragt hat, ob sie Zucker nimmt. Sie nimmt tatsächlich welchen.
    «Hast du Nelson Bescheid gesagt?», fragt er.
    «Ja.»
    «Hat er sich bei dir bedankt?»
    «Nein.»
    «Ist Ruth bei ihm?»
    Judy sieht rasch zu Cathbad hin. «Ja.»
    Dann wendet sie sich an Clara. «Der Boss möchte, dass ich für den Rest der Nacht hierbleibe. Ist Ihnen das recht?»
    Clara zuckt die Achseln. «Von mir aus. Oben gibt es noch zwei Betten. Ein Einzel- und ein Doppelbett.» Sie mustert Judy und Cathbad neugierig.
    «Ich nehme das Doppelbett», sagt Judy.

    Ruth sitzt vorgebeugt da, den Kopf zwischen den Knien. Nelsons Stimme scheint von weit her zu kommen.
    «Geht’s dir wieder besser?»
    «Ja.» Ruth zwingt sich dazu, sich wieder aufzurichten. «Das war nur die Erleichterung.»
    «Klar.» Nelson fährt sich mit der Hand durchs Haar, bis es hochsteht wie ein Hahnenkamm. Ruth fällt auf, wie grau er inzwischen ist. Wangen und Kinn sind dunkel von Bartstoppeln. Wahrscheinlich, denkt sie, ist es schon fast Morgen.
    «Was hat Judy noch gleich gesagt?»
    «Sie war bei Kate. Sie schlief ganz friedlich.»
    «Und Clara?»
    «Die schlief unten auf dem Sofa.»
    «Glaubst du, sie hat Dieter Eckhart umgebracht?»
    «Möglich wär’s.» Nelson reibt sich das Kinn. «Mord durch Erstechen ist meistens ein Verbrechen aus Leidenschaft. Du sagst, sie hat in ihrem Tagebuch geschrieben, dass sie ihn umbringen wollte?»
    «Ja. Mehr habe ich nicht gelesen.» Ruth deutet auf das Büchlein, das auf dem Nachttisch liegt.
    «Das nehme ich morgen mit. Und die Schere auch, wobei auf der jetzt wahrscheinlich lauter Fingerabdrücke von uns sind.»
    Ruth erschauert. «Mir gefällt der Gedanke immer noch nicht, dass sie dort bei Kate ist.»
    «Ich habe Judy gesagt, dass entweder sie oder Cathbad bei Kate im Zimmer schlafen sollen.»
    «Was in aller Welt hat denn Cathbad da verloren?»
    Nelson zuckt die Achseln. «Du kennst doch Cathbad. Der taucht immer auf, wenn man am wenigsten mit ihm rechnet.»
    Beide denken an andere Gelegenheiten zurück, bei denen Cathbad unversehens aufgetaucht ist, gerade rechtzeitig, um zu retten oder selbst gerettet zu werden. Erik hat immer gesagt, Cathbad habe magische Fähigkeiten. Zumindest verfügt er offenbar über die Fähigkeit, sich gezielt irgendwo zu materialisieren.
    «Ich sollte mal wieder auf mein Zimmer gehen», sagt Nelson. Er nimmt Ruths Armbanduhr vom Nachttisch. Halb drei.
    «Ja», erwidert sie. Doch keiner von beiden rührt sich.
    Ruth meint, Nelson etwas flüstern zu hören, doch sie versteht nicht, was. Sie schließt nur die Augen und macht einen Schritt auf Nelson zu, als sich seine Lippen auf ihre legen.

[zur Inhaltsübersicht]
    24
    Am Ende entscheidet sich Judy doch für das Einzelbett. Der Gedanke, mit einem Baby im selben Zimmer zu schlafen, behagt ihr einfach nicht. Was, wenn Kate aufwacht und weint? Diese Aussicht erscheint ihr noch viel furchteinflößender als die vermummte Gestalt auf der Straße im Schnee.
    «Kein Problem», sagt Cathbad. «Ich schlafe bei ihr.»
    «Tut mir leid», sagt Judy. «Ich bin einfach nicht der mütterliche Typ.»
    Cathbad mustert sie. «Das würde ich so nicht sagen.»
    «Hast du Kinder?», fragt Judy.
    «Eine Tochter.» Cathbads Stimme klingt dumpf. «Ich habe nicht viel von ihr mitbekommen, als sie klein war. Das versuche ich jetzt nachzuholen.»
    Sie stehen flüsternd auf dem Treppenabsatz. Wie vorher der Schnee und der Tee stellt auch das eine absurde Vertrautheit zwischen ihnen her, so als wohnten sie zusammen oder hätten das, was Judys Nichte immer «Pyjamaparty» nennt.
    «Ich weiß nicht, ob ich Kinder will», sagt Judy. «Das ist so eine große Verantwortung.»
    «Was meint denn dein Verlobter dazu?»
    Judy zögert. Woher weiß Cathbad eigentlich, dass sie heiratet? Hat er ihren Verlobungsring gesehen? Es klingt ein wenig gehässig, wie er das Wort «Verlobter» ausspricht.
    «Darüber haben wir noch nicht geredet», antwortet sie würdevoll.
    Cathbad grinst. «Das würde ich an eurer Stelle aber langsam mal machen.» Und damit verschwindet er in Ruths Zimmer.
    Judy macht sich im Bad bettfertig und stellt dabei fest, dass Ruth erstaunlich teure Seife benutzt. Was hat dieser Cathbad bloß an sich, das er

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