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Gezinkt

Gezinkt

Titel: Gezinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Gespräche darauf hinaus, dass sie ihn mit Prahlereien über ihre Kinder langweilten oder lang und breit davon schwafelten, wie schlecht ihre Ex-Männer sie behandelt hatten. Seine Bekanntschaften neigten außerdem dazu, sich in wenig glamourösen Läden wie Gap oder L. L. Bean einzukleiden, und waren zumeist – wie sollte er sagen? – von solidem mittelwestlichem Körperbau.
    Oh, er war auch ein paar attraktiven Frauen begegnet – wie etwa Sally Vaughn, immerhin Kandidatin um den Titel der Miss Iowa 2002 -, aber diese Beziehung führte nie irgendwohin, und nach ihr hatte er, was Mädchen anging, ein Verlangen nach grüneren Weiden bei sich festgestellt.
    Womit Los Angeles zutreffend beschrieben war. Hier tummelten sich die hinreißendsten Geschöpfe der Welt. Aber sie waren nicht nur hübsch. Nein, diese Mädels hatten auch Substanz. Er hörte sie an der Kaffeebar seines Buchladens bei ihren fettarmen Latte Macchiati über Kunst und Politik reden, brillant, geistreich, witzig. Erst gestern hatte er ein paar jungen Frauen in eng sitzenden Gymnastikklamotten zugehört, die über das seltsam klingende Instrument bei dem Soundtrack von Der Dritte Mann stritten. Ein Hackbrett, nein, es war ein Akkordeon, nein, es war …
    Eine Zither, hätte Pullman am liebsten gerufen, aber er hatte gespürt, dass eine Einmischung nicht erwünscht gewesen wäre. (Und diejenige, die falschlag, wäre wohl ernsthaft sauer gewesen, was jede Chance darauf, mit einer von ihnen auszugehen, vernichtet hätte.)
    Die DVD-Sammlung eines durchschnittlichen Mädchens in L. A. enthielt keine dämlichen Schmachtfetzen. Sie hatten Filme wie Fahrraddiebe, Der Mann, der zu viel wusste, Panzerkreuzer Potemkin, Der Himmel über Berlin, Botschafter der Angst.
    Ach, aber wie sollte er eins kennenlernen? Das war das Problem. Wie er es hasste, ins kalte Wasser zu springen, dieses: Hallo, ich bin Rodney, wie heißt du? Dicklich, linkisch, schüchtern, er verkrampfte sich jedes Mal.
    Er hatte gehofft, über seine Arbeit in dem Buchladen mit glamourösen Bewohnerinnen Hollywoods in Kontakt zu kommen. Dass es zu Situationen käme, in denen er – wie ein Handelsvertreter – einen Grund hatte, sie anzusprechen, oder in denen Frauen auf ihn zukamen und er seinen Charme spielen lassen konnte. Aber sobald er im Laden die Frage einer Kundin beantwortet hatte, hatte sie keine Verwendung mehr für ihn. Und was seine Kolleginnen anging, so waren sie entweder mittelalterliche Verlierer oder Jungspunde, die auf ihre eigene Karriere fixiert waren (und die alle, wer hätte es gedacht, Drehbücher schreiben, in Filmen spielen oder Regie führen wollten).
    Aus purer Erschöpfung hatte Pullman die Liebe aufgegeben.
    Aber dann war die Neue in 10B eingezogen.
    Tammy Hudson – er hatte den Hausverwalter am nächsten Morgen nach ihrem Namen gefragt – war ein wenig älter als die atemberaubenden jungen Dinger, die man bei Ivy oder in der Bar des Beverly Wilshire sah. Pullman schätzte sie auf dreiunddreißig, vierunddreißig, was gut war, ein akzeptabler Altersunterschied. Sie war phantastisch. Langes Haar, schwarz wie Rabengefieder, oft zu einem flotten Pferdeschwanz oder einem koketten Knoten gebunden. Sie war hoch gewachsen, schlank und muskulös, wie man es in ihrem eng anliegenden, gelbschwarzen Jogging-Outfit deutlich sah. Sie lief jeden Tag, und manchmal sah er sie morgens auf dem Weg zum Buchladen im Garten der Wohnanlage stehen und in der kühlen, nebligen Luft irgendwelche Kampfsportübungen machen.
    Was ihm noch gefiel: Tammy war voller Lebensfreude. Sie reiste viel und besaß – hatte er jedenfalls gehört – ein Haus in Baja California oder kannte jemanden, der eins besaß; sie verbrachte häufig das Wochenende dort. Sie fuhr einen leuchtend roten Vesparoller, was ihn an Audrey Hepburn in Ein Herz und eine Krone erinnerte. Ihr Auto war ein alter MG, und sie fuhr rasend schnell damit.
    Es hatte ihn nicht überrascht, als er feststellte, dass sie ihre Wohnung fast täglich mit ihrer Bewerbungsmappe verließ; natürlich hatte sie etwas mit Film zu tun. Mit ihrem ausdrucksstarken Gesicht hätte sie eine wunderbare Charakterdarstellerin abgegeben. Hatte er sie schon in irgendwas gesehen? Es gab nicht viele Filme, die Rodney Pullman nicht gesehen hatte.
    Er ging mit sich zu Rate und kam zu dem Schluss, es sei nicht völlig ausgeschlossen, dass sie beide miteinander ausgehen könnten und sich etwas Ernsthaftes zwischen ihnen entwickeln würde. Er sah eigentlich nicht

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