Gezinkt
schlecht aus. Gut, zu viel Bauch, aber das traf auf viele erfolgreiche Geschäftsleute zu; es störte Frauen nicht, wenn man es mit Charme wettmachen konnte. Er hatte dichtes braunes Haar, ohne eine Spur von Grau, und einen kräftigen Kiefer, hinter dem das Doppelkinn größtenteils verschwand. Er rauchte nicht und trank nur Wein, und das in Maßen. Immer zahlte er im Restaurant.
Doch sofort befielen ihn Zweifel wie ein Bienenschwarm, so, wie es jedes Mal war. Wie sollte der schüchterne Mann sie anders kennenlernen, als sie einfach anzusprechen? Und wenn die erste Chance verpfuscht war, das wusste er nur allzu gut, gab es kein Zurück auf Los, nicht bei einer schönen Frau wie Tammy.
Deshalb verehrte er sie monatelang nur aus der Ferne und überlegte angestrengt, wie er es anstellen könnte, das Eis zu brechen, ohne sich zum Narren zu machen.
An einem kühlen Aprilabend dann kam ein Durchbruch.
Gegen sieben stand Pullman an seinem Fenster und schaute in den Hof hinunter, als er in den Büschen auf der anderen Seite des Gehsteigs vor Tammys Schlafzimmerfenster eine Bewegung wahrnahm. Kurz darauf wiederholte es sich, und diesmal sah er einen schwachen Lichtblitz, als spiegelte sich Licht in Glas.
Pullman machte das Licht in der Wohnung aus und zog die Jalousie fast ganz herunter. Dann ging er auf die Knie und spähte durch den Schlitz. Er sah einen Mann in den Büschen kauern, der anscheinend in Tammys Fenster starrte. Er trug eine graue Uniform, wie sie die Männer hatten, die die Anlage in Schuss hielten. Pullman stand auf und wechselte ins Schlafzimmer, wo er einen besseren Blick in den Hof haben würde. Ja, kein Zweifel. Der hagere junge Mann spannte. Er hatte ein Fernglas. Perverses Schwein!
Pullmans erster Impuls war, die Polizei zu rufen, und er griff nach dem Telefon.
Doch er tippte nur die erste Ziffer, dann dachte er, warte mal... Vielleicht ließ sich das irgendwie ausnutzen. Er legte das Telefon beiseite.
Tammys Vorhang ging zu. Er konzentrierte sich auf den Voyeur, und es fröstelte ihn, als der Mann enttäuscht die Schultern hängen ließ – als hätte er gehofft, einen Blick darauf zu erhaschen, wie sie sich auszog, um zu duschen. Dennoch blieb er, wo er war, und wartete auf eine Gelegenheit, erneut in ihr Fenster zu spähen. Doch dann ging Tammys Tür auf, und sie kam heraus. Sie trug ihr rosa Top und die enge Hose mit dem Blumenmuster. An ihrer Schulter baumelte die blaue Lederhandtasche, und die Sonnenbrille hatte sie hoch ins Haar geschoben, das sie heute offen trug.
Der Voyeur kauerte sich tiefer ins Gebüsch, um nicht gesehen zu werden.
Tammy schloss ihre Tür ab und spazierte den Gehsteig entlang in Richtung Parkplatz. Wo war der Wartungsmann, fragte sich Pullman beunruhigt. Kroch er näher zu ihr? Doch gerade, als er sich das Telefon geangelt hatte und die Notrufnummer wählen wollte, sah er den Stalker aufstehen. Er hatte nicht vorgehabt, sie anzufallen, er hatte nur seine Gerätschaften zusammengepackt. Mit seinen Werkzeugen in der Hand drehte er sich um und entfernte sich in die entgegengesetzte Richtung von Tammy, auf die Rückseite des Gebäudes zu.
Tammy verschwand auf dem Parkplatz, und einen Augenblick später hörte man den Motor ihres MG knattern, als sie in dem kleinen grünen Flitzer in die Nacht davonbrauste.
An diesem Abend entfernte sich Pullman nicht weit von zu Hause, bestellte sich eine Pizza und behielt den Hof aufmerksam im Blick. Stunden vergingen ohne eine Spur von Tammy oder ihrem Verfolger. Er wäre beinahe eingeschlafen, machte sich aber Kaffee, den er heiß und schwarz hinunterschüttete, und zwang sich, wach zu bleiben, um alles im Auge zu behalten. Mit einem Schauder der Begeisterung dachte er, dass es genau wie in dem Hitchcock-Thriller Fenster zum Hof war, wo Jimmy Stewart, in seinem Rollstuhl ans Haus gefesselt, die Zeit damit verbringt, in die Fenster seiner Nachbarn zu spähen. Es war Pullmans Lieblingsfilm; er fragte sich, ob Tammy ihn gesehen hatte. Sein Gefühl sagte ihm, sie hatte.
Als um neun Uhr abends noch nichts von Tammy oder dem dürren Voyeur zu sehen war, ging Pullman nach unten und zur Rückseite des Gebäudes, wo er den Hausmeister antraf. »Wer ist dieser junge Wartungstyp?«, fragte er. »Der Blonde?«
»Der Blonde?«, fragte der schwergewichtige Hausmeister und strich sich eine Strähne seines fettigen Haars aus der Stirn. Er roch nach Bier.
»Ja, der Kleine.«
»Sie sagten, der ›Blonde‹.«
»Ja, der mit den blonden
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