Gezinkt
abnahm und auf die Theke warf. Er zog den Deckel von seinem Starbucks-Becher und trank einen Schluck Kaffee.
Keller betrachtete den unordentlichen Haufen Chips vor dem Jungen und sagte: »Ich weiß nicht, was dir Jimmy Logan über Poker erzählt hat und was du von Hoyle zu wissen glaubst, aber vergiss es. Wir wenden hier die Regeln für große Jungs an, und Regel Nummer eins lautet: Wir spielen fair. Bewahre deine Chips immer geordnet vor dir auf, sodass alle am Tisch wissen, wie viel du hast. Okay?«
»Klar.« Der Junge begann die Chips in saubere Stapel zu ordnen.
»Und«, sagte Wendall, »angenommen, ein Wunder passiert und du fängst an, groß zu gewinnen, und jemand sieht nicht genau, wie viele Chips du hast, und fragt dich – dann sagst du es. Auf den Dollar genau. Verstanden?«
»Ich sag es, alles klar.« Der Junge nickte.
Sie zogen, wer Geber im ersten Spiel war, und Wendall gewann. Er begann mit seinen feisten Fingern zu mischen.
Keller blickte voll Freude auf die durcheinanderwirbelnden Karten und dachte: Nichts auf der Welt ist wie Poker.
Das Spiel war fast zweihundert Jahre alt. Es begann als ein Spiel von Betrügern auf den Mississippi-Flussbooten und ersetzte ein Bauernfängerspiel namens Kümmelblättchen, das selbst die leichtgläubigsten Großstadtmenschen rasch als Trick durchschauten, mit dem ihnen das Geld aus der Tasche gezogen wurde. Poker, das damals nur mit den Karten von der Zehn bis zum Ass gespielt wurde, schien ihnen fairere Chancen zu bieten. Das war selbstverständlich nicht der Fall, nicht wenn sie gegen ausgebuffte Haie antraten (die armen Teufel hätten vielleicht nicht so bereitwillig gespielt, wenn sie gewusst hätten, dass der Name des Spiels wahrscheinlich von »poke« kam, im 19. Jahrhundert ein Slangwort für Geldbörse, welche zu leeren das wahre Ziel des Spiels war).
»Die Einsätze bitte«, rief Wendall. »Wir spielen Draw-Poker mit fünf Karten.«
Es gibt Dutzende Variationen von Poker. Doch bei Keller wurde Draw-Poker mit fünf Karten gespielt – Closed Poker oder Jackpot lauteten die offiziellen Bezeichnungen; das höhere Blatt gewann. Im Lauf der Jahre hatte er alle Arten von Poker gespielt, die es gibt – vom kalifornischen Lowball Draw (der beliebtesten Pokervariante westlich der Rockies) über das normale Stud Poker bis zu Texas Hold’Em. Jedes war auf seine Weise interessant und aufregend, aber Keller gefiel das schlichte Jackpot am besten, denn dabei gab es keinen Schnickschnack, keine geheimnisvollen Regeln, es hieß du gegen die Karten und die anderen Spieler, wie Boxen mit bloßen Fäusten, Mann gegen Mann.
Bei Jackpot erhält jeder Spieler fünf Karten und hat dann die Möglichkeit, bis zu drei auszutauschen, um sein Blatt aufzubessern. Gute Spieler wie Keller wussten längst auswendig, wie hoch die Chancen standen, bestimmte Kombinationen zu ziehen. Angenommen er hatte ein Paar Dreien, einen Buben, eine Sieben und eine Zwei. Falls er beschloss, das Paar und den Buben zu behalten und zwei neue für die beiden anderen zu ziehen, hatte er eine Chance von eins zu fünf, einen zweiten Buben und damit ein Blatt mit zwei Paaren zu bekommen. Die Aussicht, die restlichen beiden Dreien zu ziehen und somit vier Gleiche zu haben, lag dagegen bei eins zu tausendsechzig. Entschied er sich aber, nur das Paar zu behalten und drei neue Karten zu ziehen, verbesserte sich die Wahrscheinlichkeit für vier Gleiche auf eins zu dreihundertneunundfünfzig. Diese Zahlen und Dutzende andere zu kennen unterschied Amateurspieler von Profis, und Keller hatte ein sehr gutes Auskommen als Profi.
Sie warfen ihre Einsätze in die Mitte, und Wendall begann zu geben.
Keller konzentrierte sich auf Tonys Strategie. Er hatte damit gerechnet, der Junge würde leichtsinnig spielen, aber im Großen und Ganzen spielte er vorsichtig und schien erst einmal ein Gefühl für den Tisch und die Spieler zu entwickeln. Viele andere Teenager wären wahrscheinlich laut und unangenehm gewesen, dachte Keller, aber der Junge saß einfach nur ruhig da und spielte Karten.
Was nicht bedeutete, dass er keinen Rat mehr gebraucht hätte.
»Spiel nicht mit deinen Chips, Tony. Du wirkst nervös, wenn du das tust.«
»Ich habe nicht mit ihnen gespielt. Ich...«
»Und noch eine Regel: Streite dich nicht mit den Leuten, die dir die Regeln erklären. Du bist gut. Du hast es drauf, ein großer Spieler zu werden – aber du musst die Klappe halten und hören, was dir die Könner sagen.«
»Hör auf ihn,
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