Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gezinkt

Gezinkt

Titel: Gezinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
in eins von Ihren Spielen«, sagte der Junge.
    Keller blickte von seinem Hamburger in Angela’s Diner auf und sah den blonden Jungen an, der mit vorgeschobener Hüfte und verschränkten Armen dastand. Es sollte cool sein, aber er sah aus wie ein Tier, das sich unbeholfen auf den Hinterbeinen aufrichtet. Ganz hübscher Bengel aber, obwohl er schwarz geränderte Strebergläser trug und blass und dürr war.
    Keller beschloss, ihn nicht aufzufordern, Platz zu nehmen. »Was für Spiele?«, fragte er. Er aß weiter von seinem Hamburger und schaute auf die Uhr.
    Der Junge bemerkte die Bewegung und sagte: »Na, zum Beispiel das eine, das heute Abend um acht anfängt.«
    Keller stieß ein knurrendes Lachen aus.
    Er hörte einen Güterzug über die Strecke rumpeln, die dieses Viertel im Norden der Stadt in zwei Teile schnitt. Er dachte liebevoll an eine Diesellok zurück, die vor einem halben Jahr die Gläser an der Bar genau in dem Moment klirren ließ, in dem er einen Flush auf den Tisch legte, um einen Pot von sechsundfünfzigtausenddreihundertzwanzig Dollar von drei Geschäftsleuten aus dem Süden Frankreichs einzustreichen. Er hatte diesen Pot zwanzig Minuten nach dem ersten Setzen gewonnen. Die Männer hatten finstere Franzosenblicke in die Runde geworfen, aber das Spiel fortgesetzt, um weitere Siebzigtausend im Lauf der regnerischen Nacht zu verlieren.
    »Wie heißt du?«
    »Tony Stigler.«
    »Wie alt bist du?«
    »Achtzehn.«
    »Selbst wenn es ein Spiel gäbe , was nicht der Fall ist, dürftest du nicht mitspielen. Du bist noch ein Kind. Du hast keinen Zutritt zu einer Bar.«
    »Es findet in Sals Hinterzimmer statt. Nicht in der Bar.«
    »Woher weißt du das?«, murmelte Keller. Mit Ende vierzig war der Mann mit der dunklen Gesichtsfarbe noch so stark und kräftig wie zwanzig Jahre zuvor. Wenn er eine Frage in diesem Ton stellte, hörte man auf, den Schlaumeier zu spielen, und antwortete ehrlich.
    »Mein Kumpel arbeitet bei Marconi Pizza. Er hört alles Mögliche.«
    »Dein Kumpel sollte vorsichtig sein mit dem, was er hört. Und er sollte sehr vorsichtig sein, wem er erzählt , was er hört.« Keller wandte sich wieder seinem Essen zu.
    »Schauen Sie.« Der Junge schob die Hand tief in die Tasche und zog ein Bündel Geldscheine heraus. Hunderter hauptsächlich. Keller hatte zu spielen angefangen, als er jünger war als dieser Bursche hier, und er konnte ein Bündel Geld einschätzen. Der Junge hielt an die fünftausend in der Hand. »Ich mein es ernst, Mann«, sagte Tony. »Ich will mit Ihnen spielen.«
    »Woher hast du das?«
    Ein Achselzucken. »Ich hab’s eben.«
    »Komm mir nicht mit dieser Sopranos -Scheiße. Wenn du Poker spielen willst, dann nach den Regeln. Und eine der Regeln lautet, du spielst mit deinem eigenen Geld. Wenn das gestohlen ist, kannst du deinen Arsch auf der Stelle hier rausschaffen.«
    »Es ist nicht gestohlen«, sagte der Junge und senkte die Stimme. »Ich hab es gewonnen.«
    »Beim Kartenspielen oder in der Lotterie?«, fragte Keller sarkastisch.
    »Draw und Stud Poker.«
    Keller ließ sich einen besonders guten Hamburgerhappen schmecken und betrachtete den Jungen erneut. »Wieso mein Spiel? Du kannst aus Dutzenden wählen.«
    Die im Abstieg begriffene Stadt Ellridge mit ihren rund zweihunderttausend Einwohnern lag am flachen, grauen Indiana River, in einem an Stahlwerken reichen Gebiet. Was ihr an Klasse fehlte, machte die Stadt durch Laster mehr als wett. Nutten und Lap-Dance-Bars zum Beispiel. Die große Attraktion jedoch war das illegale Glücksspiel – aus einem ganz praktischen Grund: Atlantic City und Nevada lagen weiter als eine Tagesfahrt entfernt, und die wenigen Casinos mit legalen Pokertischen in Indiana waren voller Amateure, die nur um geringe Summen spielten.
    »Warum Sie?«, antwortete Tony. »Weil Sie der beste Spieler in der Stadt sind, und ich will gegen den besten spielen.«
    »Was soll das werden, ein Duell à la John Wayne?«
    »Wer ist John Wayne?«
    »Allmächtiger... Du bist wirklich eine ganz andere Liga, Kleiner.«
    »Es gibt noch mehr davon«, sagte der Junge und wedelte mit seinem Geldbündel. »Viel mehr.«
    Keller gestikulierte in Richtung Geld und sah sich um. »Steck das weg.«
    Der Junge gehorchte.
    Keller aß von seinem Burger und dachte an die Zeit, als er sich, nicht viel älter als der Junge, mit Großmäuligkeit und Lügen seinen Weg in so manches Pokerspiel gebahnt hatte. Die einzige Methode, Poker zu lernen, ist, es zu spielen – um Geld und gegen

Weitere Kostenlose Bücher