Gezinkt
erschöpft. Am frühen Morgen dann hörte ich etwas. Es weckte mich auf. Ein Schlurfen von Füßen, ich weiß nicht. Oder ein Kratzen. Ich weiß noch, ich war so müde, dass ich mich einfach nicht bewegte. Ich lag nur mit offenen Augen da.«
Das hatte ihr wahrscheinlich das Leben gerettet, dachte Rhyme. Wenn sie sich umgedreht hätte oder aufgestanden wäre, hätte der Killer sie zuerst erschossen.
Dann sah sie etwas auf dem Balkon, die Umrisse eines Mannes.
»Zuerst dachte ich, es sei ein Fensterputzer. Ich wusste zwar, das konnte nicht sein, aber ich war benommen, und er sah aus, als hielte er einen Wischer in der Hand. Aber es war etwas ganz anderes.«
Die 32er.
Sie hörte Glas splittern und mehrmals einen dumpfen Knall, dann stöhnte ihr Mann auf.
»Ich schrie und rollte mich aus dem Bett. Ich rief 911. Ich habe nicht einmal bemerkt, dass ich getroffen war, bis ich später irgendwann sah, dass ich blutete.«
Sachs hakte nach und erhielt weitere Informationen. Der Mörder war ein Weißer, mit dunklem, lockigem Haar, dunkel gekleidet. Er hatte breite Schultern.
Anabolika …
Das Licht, sagte Kitty, war zu schwach, als dass sie sein Gesicht hätte sehen können.
Rhyme dachte an die HD-Bilder aus dem Stadthaus und fragte: »Sind Sie zufällig noch einmal auf den Balkon hinausgegangen, als Sie nach Hause kamen? War irgendetwas anders als sonst? Möbel umgestellt?«
»Nein, wir sind sofort ins Bett gegangen.«
»Wie könnte der Mörder erfahren haben, dass Sie letzte Nacht in der Wohnung sein würden?«
»Es stand in der Zeitung. Wir waren wegen verschiedener Wohltätigkeitsveranstaltungen hier und wollten uns mit den Spitzen anderer philantropischer Stiftungen treffen. In der Times gab es, glaub ich, einen Artikel darüber.«
»Können Sie sich einen Grund denken, warum man ihn getötet hat?«, fragte Sellitto.
Sie rang die Hände. Rhyme befürchtete, dass sie zusammenbrechen würde. Dann holte sie tief Luft und sagte: »Ich weiß, er hatte Feinde. Wenn er sich in Afrika oder in Nahost aufhielt, war immer eine Sicherheitsmannschaft bei ihm. Aber hier... Ich weiß nicht. Es war alles noch so neu für mich... Vielleicht sollten Sie mit seinem Bruder sprechen. Ich habe heute Morgen mit ihm telefoniert. Er fliegt im Augenblick mit seiner Frau aus Kenia zurück. Sie werden heute Abend eintreffen. Oder wenn Sie jetzt sofort mit jemandem reden wollen, könnten Sie Bob Kelsey anrufen. Er war Rons rechte Hand in der Stiftung. Er ist ziemlich erschüttert, aber er wird sicherlich helfen wollen.«
Und damit verweigerte ihre Stimme den Dienst. Sie würgte und begann zu weinen.
Sachs sah Rhyme an, der nickte.
»Das war alles, Kitty«, sagte sie. »Wir wollen Sie nicht länger aufhalten.«
Nach einiger Zeit bekam sie sich wieder in den Griff.
Thom kam herein und gab ihr ein Kleenex. Sie dankte ihm und wischte sich das Gesicht ab.
»So«, sagte Sellitto, »wir werden jemanden abstellen, der ein Auge auf Sie hat.«
Kitty schüttelte den Kopf und lachte leise. »Ich weiß, ich bin ein bisschen durch den Wind, aber es geht schon. Ich … Es ist einfach alles zu viel. Ich bleibe bei Rons Bruder, wenn sie zurück sind. Und ich habe selbst Angehörige hier. Ach ja, und Rons Sohn und seine Frau fliegen von China zurück.« Sie atmete tief durch. »Das war der schwerste Anruf von allen. Sein Sohn.«
»Mrs. Larkin, ich rede von einem Leibwächter.«
»Ein... Leibwächter? Wieso?«
»Sie sind ein unentbehrlicher Zeuge. Er hat Sie zu töten versucht, und er wird es vielleicht wieder versuchen.«
»Aber ich habe im Grunde nichts gesehen.«
»Das weiß er ja nicht«, sagte Rhyme.
»Und ein unentbehrlicher Zeuge ist man nicht nur dann, wenn man den Täter identifizieren kann«, ergänzte der Detective. »Sie können über den Zeitpunkt der Schüsse aussagen, über ihren Klang, wo er stand und wie er stand, wie er die Waffe hielt. Alle diese Dinge können zu seiner Verurteilung beitragen.«
»Nun, wir haben Wachleute in der Firma.«
»Wahrscheinlich halten Sie sich besser an einen Polizeibeamten«, sagte Sellitto.
»Schon möglich, ja... Ich kann mir nur einfach nicht vorstellen, dass sich jemand die Mühe machen sollte, mir etwas zu tun.«
Rhyme sah, wie sich Lon Sellitto bemühte, beruhigend zu wirken. »Na ja«, sagte der zerknitterte Detective, »die Wahrscheinlichkeit ist natürlich minimal. Aber es spricht auch nichts dagegen, auf Nummer Sicher zu gehen, oder?«
Ein untersetzter Mann stand am Fenster der
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