Gezinkt
asiatische Gemälde und Siebdrucke aus Galerien in NoHo und dem East Village, ein großes Portrait von Houdini (ein Geschenk von einer Frau, mit der sie vor Jahren an einem Fall gearbeitet hatten), einen Blue-Dog-Druck, zwei große Blumenarrangements und bequeme Möbel, die sie aus New Jersey importiert hatten.
Auf dem Kaminsims standen Bilder von Sachs’ Eltern und von ihr als Heranwachsende, wie sie unter der Motorhaube eines 68er Dodge Charger hervorspähte, an dem sie und ihr Vater monatelang gearbeitet hatten, bis sie sich schließlich eingestanden, dass der Patient nicht mehr zu retten war.
Und nicht nur ihre Vergangenheit wurde in dem Wohnzimmer präsentiert.
Sie hatte Thom auf einen Streifzug in den Keller des Stadthauses geschickt, wo er alle möglichen Schachteln durchwühlt hatte und mit gerahmten Ehrenzeichen und lobenden Erwähnungen aus Rhymes Zeit beim NYPD zurückgekehrt war. Auch mit privaten Fotos. Mehrere zeigten Rhyme während seiner Kindheit in Illinois, mit seinen Eltern und anderen Verwandten. Ein Bild zeigte den Jungen und seine Familie vor ihrem Haus, neben einer großen blauen Limousine. Die Eltern lächelten in die Kamera. Lincoln lächelte ebenfalls, aber sein Gesichtsausdruck war anders – er verriet Neugier -, und er blickte zur Seite, auf etwas, das nicht im Bild zu sehen war.
Auf einem Schnappschuss sah man einen schlanken, angespannten Lincoln im Teenageralter. Er trug einen Leichtathletikdress seiner Schule.
Thom öffnete nun die Eingangstür und führte drei Leute in den Raum: Lon Sellitto, dazu einen stattlichen Mann in den Sechzigern mit grauem Anzug und Priesterkragen und, an seinem Arm, eine Frau mit blasser Haut und Augen, die so rot waren wie ihre Haare. Sie zeigte keine Reaktion auf den Rollstuhl.
»Mrs. Larkin«, sagte der Kriminalist, »ich bin Lincoln Rhyme. Das ist Amelia Sachs.«
»Bitte nennen Sie mich doch Kitty.« Sie nickte zur Begrüßung.
»John Markel«, stellte sich der Geistliche vor, schüttelte Sachs die Hand und lächelte Rhyme blässlich zu.
Er erklärte, dass seine Diözese auf Manhattans Upper East Side mehrere Wohltätigkeitseinrichtungen im Sudan und in Liberia sowie eine Schule im Kongo unterhielt. »Ron und ich haben seit Jahren zusammengearbeitet. Wir wollten uns heute zum Mittagessen treffen, um über unsere Arbeit da drüben zu sprechen.« Er seufzte und schüttelte den Kopf. »Dann habe ich die Nachricht gehört.«
Er war zum Krankenhaus geeilt, um bei Kitty zu sein, und hatte ihr dann angeboten, sie hierher zu begleiten.
»Sie müssen nicht bleiben, John«, sagte die Witwe. »Aber danke, dass Sie gekommen sind.«
»Edith und ich möchten, dass Sie den Abend bei uns verbringen«, sagte der Mann. »Wir wollen nicht, dass Sie allein sind.«
»Ach, vielen Dank, John, aber ich sollte besser bei Rons Bruder und seiner Familie sein. Und bei seinem Sohn.«
»Ich verstehe. Aber wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie bitte an.«
Sie nickte und umarmte ihn.
Ehe der Priester ging, fragte ihn Sachs, ob er eine Vorstellung habe, wer der Mörder sein könnte. Die Frage erwischte ihn kalt. »Wer jemanden wie Ron töten würde? Nein, das ist unerklärlich. Ich habe wirklich keine Ahnung, wer seinen Tod wünschen könnte.«
Thom führte den Geistlichen hinaus, und Kitty nahm auf einem Sofa Platz. Der Assistent kam kurz darauf mit einem Tablett Kaffee zurück. Kitty nahm eine Tasse, trank aber nicht davon. Sie hielt sie zwischen den verschränkten Händen.
Sachs wies mit einem Kopfnicken auf den großen Verband um ihren Unterarm. »Alles in Ordnung?«
»Ja«, sagte sie, als wäre Sprechen das Einzige, was ihr Schmerzen bereitete. Sie blickte auf ihren Arm. »Der Arzt sagte, es war ein Teil von einer Kugel. Sie ist auseinandergebrochen.« Sie schaute auf. »Es könnte von der Kugel stammen, die Ron getötet hat. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
Rhyme ließ Sachs den Vortritt, die besser mit Menschen umgehen konnte als er, und die Polizistin fragte die Frau nach den Schüssen.
Kitty und ihr Mann waren im Land umhergereist, um sich mit den Spitzen von Unternehmen und verschiedenen Non-Profit-Organisationen zu treffen. Am Vorabend waren sie aus Atlanta gekommen, wo sie sich mit einem ihrer Lieferanten für Babynahrung getroffen hatten. Die Limousine hatte sie vom Flughafen La Guardia abgeholt und gegen Mitternacht in das Stadthaus gebracht.
»Der Wagen hat uns abgesetzt. Wir gingen hinein und sofort zu Bett – es war spät, wir waren
Weitere Kostenlose Bücher