Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel
die sich ganz alleine durch ihre Kabel wurschteln.
Ich bin entrüstet. «Das sind die Fleißigsten aus meiner Klasse, auf die lasse ich nichts kommen!»
Der Meister schlendert zu ihnen hin und guckt sich die Chose an. «Gute Arbeit», lobt er dann. «Bisschen langsam, aber genau.» Ich bin versöhnt.
So geht das zweieinhalb Stunden lang. Ich gähne unauffällig und sehne mich nach den Konditoren, Bäckern, Friseuren, Malern und meinetwegen Tischlern. Also, eins weiß ich, Elektro ist kein Beruf für mich.
Genau das sagt Hanna auch bei der Schlussrunde.
«Da hast du ja heute etwas erreicht, wenn du das erkannt hast», bemerkt der Meister, den ich inzwischen ganz okay finde. (Er hat eben zu mir gesagt: «Ganz nette Truppe, das!») «Allerdings heißt es nicht ‹Elektro›», fährt er fort und guckt sich suchend um. «Wer weiß noch mal die genaue Berufsbezeichnung?»
Alle verfallen in tiefes Brüten. Ich weiß es auch nicht mehr so ganz genau. Zum Glück meldet sich Aynur.
«Elektroniker für … äh …», stottert sie, «äh … Elektroniker für Energie und Sanitär!»
Die Gesichtszüge des Meisters entgleisen.
Geschieht ihm ganz recht, denke ich schadenfroh.
Und morgen?
Wir gehen Metall!
Wird bestimmt auch voll schön.
Happy Metal
«Ich werde Metall», sagt Omür und beißt in sein dickes Fladenbrot. «Oder Konditor!»
Dass er so begeistert ist, liegt aber nur am Meister. Der ist nämlich von der ersten bis zur letzten Minute supernett. Er findet es nicht schlimm, dass wir verspätet kommen – diesmal waren nur zwei meiner Schüler pünktlich –, und versucht sogar unsere Namen zu behalten. Nur beim Blick auf die Schuhe der Mädchen runzelt er die Stirn. Ballerinas! Ich habe dummerweise auch welche an. Alle grinsen, und ich schäme mich. «Festes Schuhwerk» stand auf dem Begleitschreiben. Könnte ja mal eine Feile oder so was drauffallen!
Der Meister erklärt alles mit einer Engelsgeduld, aber immer nur zwei Leuten. Die müssen dann «Meister» spielen und das Wissen an die anderen weitergeben. Es klappt sogar halbwegs.
Wir bauen ein treppenartiges Objekt, dass man als CD-Regal oder so benutzen kann.
Voll cool. Ich mache natürlich wieder mit und stelle fest, Metall ist anstrengend. Feilen, bohren, abkantieren (macht man das nicht sonst mit Wein?), nieten – alles mit Armschmalz und grauenhaftem Lärm. (Übrigens erfahre ich später von Karl, dass es abkanten heißt.)
Der Meister lobt den Teamgeist der Meinen überschwänglich und erzählt mir, dass die letzte Klasse, die er hatte, wesentlich anstrengender war. Ein Kollege von ihm guckt kurz rein und stellt ebenfalls nach wenigen Sekunden fest: «Toll, die sind ja eine Erholung gegen die Schüler von gestern!» Er nickt mir anerkennend zu. Ach, das tut gut, mal gelobt zu werden.
Sogar Aynur und Hanna reißen sich zusammen; außerdem haben sie so viel zu tun, dass es kaum Zeit zum Quatschen und Blödsinnmachen gibt. Der gute Meister lächelt sogar verzeihend, als Gamze sich auf den Boden und Aynur auf die Werkbank setzt. Ist ja schließlich auch voll ermüdend, länger als zehn Minuten zu stehen, vallah!
«Wie lange arbeitet denn wohl die Menschheit schon mit Metall?», fragt der Meister in die Runde.
«Hundert Jahre?» Gamze bestätigt damit mal wieder meine These, dass Jugendliche, genau wie Gott, einfach kein Zeitgefühl haben. «Ein Tag ist bei Gott und Gamze wie tausend Jahre, und tausend Jahre wie ein Tag», heißt es doch schon in der Bibel. (In Frau Freitags Klasse dachte ein Mädchen, den Fernseher gäbe es bereits seit 10000 Jahren.)
Wir sind zwanzig Minuten früher fertig als geplant und müssen nicht einmal aufräumen, sondern werden mit guten Wünschen entlassen. Herrlich.
Dummerweise bin ich sofort freiwillig in die Schule gefahren und habe stundenlang mit Frau Herz die Bilder für unsere neue Mensa gerahmt. Frau Herz war übrigens mit ihrer Klasse bei den Glasern und fand es dort voll langweilig. Ich dagegen schwärme von unserem Metall-Meister und zertrümmere dabei gleich das Glas des ersten Rahmens. Die Rahmen sind ganz neu, riesengroß und ziemlich teuer.
Frau Herz sieht mich missbilligend an. «Ich fürchte, du bist auch noch nicht ausbildungsfähig, Frl. Krise!», sagt sie dann und drückt mir einen Besen in die Hand.
Wir gehen Müze
«Das kann ich auch!» Nesrin guckt mit Verachtung auf die Werke des modernen Künstlers, dessen Ausstellung wir besuchen. Große Bilder mit locker hingeworfenen, sehr bunten
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