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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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verschiedene Handwerksberufe zu informieren. Aber sie finden das reichlich überflüssig. Wer will schon Bäcker, Maler, Friseur oder Tischler werden? Ihnen schwebt Hebamme, Modedesignerin oder «Polizei» vor, vallah, am besten gleich Chef eines eigenen Restaurants oder so. Auf jeden Fall nicht Knecht!
    Ich frage mich auch langsam, weshalb wir nicht Uni gehen oder Fachhochschule …
    Frau Stein stellt schnell fest, dass meine Schüler und ich ein gutes Verhältnis haben.
    «Das merkt man gleich», sagt sie und findet das schön.
    «Ja, schon», antworte ich, um ein wenig ihre Euphorie zu dämpfen. «Allerdings sagt das ja noch nichts darüber aus, wie sie arbeiten.»
    Frau Stein winkt ab. «Ach, wenn man die richtig anspricht, machen die das super, werden Sie sehen!»
    «Wer sind Sie?», fragt Aynur und ist auch schon wieder weg, als Frau Stein es ihr erzählen will. Frau Stein guckt ein bisschen kariert.

    Nach einem kurzen theoretischen Vortrag über die Tätigkeitsfelder eines Malers und die Basics der Ausbildung wird praktisch gearbeitet. Der Meister, der uns verarztet, gibt sich echt Mühe, aber er muss alles dreimal erzählen. Meine Leute sind irgendwie zappelig und abgelenkt. Die fremde Umgebung ist fast zu viel für sie.
    «Pass doch mal bitte auf», sagt Frau Stein zu Aynur, die pampig antwortet: «Was wollen Sie? Sie sind nicht meine Lehrerin! Sie haben mir gar nichts zu sagen!»
    «Das Wort Respekt kennst du wohl nicht?», fragt der Meister, übrigens ein ganz cooler sportlicher älterer Typ mit Glatze und Armband.
    Aynur hebt zu einer langen Erklärung an, dass sie das Wort sehr wohl kenne, aber sie reagiere ja bloß darauf, dass ihr kein Respekt entgegengebracht werde, und wenn man sie … dann …
    Frau Stein seufzt, und der Meister guckt ein bisschen genervt.
    Wir schneiden gerade mit sauscharfen Cuttern Schablonen aus, und alle bis auf Hanna und Aynur arbeiten ganz vorsichtig und aufmerksam. Es wäre wirklich ganz friedlich, wenn Aynur einfach mal ihren Mund halten würde. Aber sie plappert ohne Punkt und Komma, erzählt nun, wen sie gestern noch in ihrem Lieblings-Einkaufscenter getroffen habe, wer von wem blöde angemacht wurde und wie und wem sie beinahe eine geklatscht hätte, weil … Es nimmt kein Ende. Hanna lacht schrill, und ich sage mühsam beherrscht: «Aynur, wir können uns bei deinem Gequatsche überhaupt nicht konzentrieren. Bitte, sei jetzt mal zehn Minuten ruhig!»
    Aynur fühlt sich verfolgt. «Vallah, immer ich! Erst die Frau, dann Sie! Die anderen reden auch, kann man nicht mal was sagen? Voll gemein.»
    Sie ist nicht zu stoppen. In letzter Zeit ist mir schon häufiger aufgefallen, dass sie so viel redet. Es ist einfach nicht zum Aushalten. Man kann nur hoffen, dass diese Laberstörung hormonell bedingt ist und nicht genetisch.
    Frau Stein flüstert mir zu, sie überlege in solchen Situationen, wo die Grenze sei, so jemanden rauszustellen. Im Klartext will sie mir bestimmt sagen: «Raus mit ihr!» Das finde ich aber nicht, immerhin arbeitet Aynur bei all dem Gequassel noch.
    «Machen wir nicht mal Pause?»
    Hanna!
    «Ja, ich hab Hunger, ich muss was essen», souffliert ihr Aynur.
    «Nein», sagt der Meister freundlich. «Zweieinhalb Stunden ohne Pause, das werdet ihr wohl durchstehen.»
    «Voll gemein!» Die Leier geht schon wieder los, und erst ein wilder Blick von mir lässt sie einen kurzen Moment verstummen.
    Trotzdem beißt Aynur zwei Minuten später in ihr Butterbrot. Provokant, denn Frau Stein steht genau neben ihr.
    «Aynur!», sage ich. «Wir sind in einer Werkstatt, hier wird nicht gegessen!»
    «Alle essen doch!», nuschelt Aynur mit vollem Mund und zeigt auf Hanna, die auch kaut.
    Der Meister schüttelt den Kopf und geht raus.
    Ich halte beiden Grazien eine Standpauke, von wegen, wir sind hier Gast und es gibt Regeln und dass es mir peinlich ist und so weiter und so weiter. Aynur und Hanna rollen gestresst die Augen. Lehrer sind echt anstrengend.
    Frau Stein hat inzwischen alles aufgeschrieben, sie will in Einzelgesprächen noch mal das notwendige Verhalten in Bezug auf die Ausbildungssituation thematisieren. Ich weiß jetzt schon, Aynur wird sich an nichts erinnern und schreien: «Voll übertrieben, was fällt Ihnen ein! Immer ich!»
    Schließlich hat jeder sein Bild fertig. Sie haben grundiert, gemalt, gestupst und komplizierte Schablonen ausgeschnitten. Die Bilder sehen ziemlich professionell aus. Wir loben die Gruppe und besonders Azzize und Erkan.

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