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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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Figuren (aber jeder Strich sitzt da, wo er hingehört!) – voll einfach, kann doch jeder!
    «Was ist das für Kunst?», fragt Aynur. «Da malt Frl. Krise ja sogar besser!»
    Die beiden Museumspädagogen geben sich alle Mühe. Sie versuchen auf unsere Schüler einzugehen, aber sie treffen nicht ganz die Ebene. Außerdem reden sie zu lange und mit zu vielen Fremdwörtern. Trotzdem geht die Führung ganz gut über die Bühne. Zwar sind einige demonstrativ offen gelangweilt und desinteressiert, dafür diskutieren die anderen um so lauter – und niemand fällt aus der Rolle.
    Am Ende hocken alle vor einem großen Bildschirm und sehen sich Filmmaterial von und über unseren Künstler an.
    Vallah, der ist schwul und hatte sogar mal ein Kleid an! Voll krank das! Außerdem rennt er durch die Stadt und hat sehr komische Leute bei sich. Wie die aussehen! Zwei Männer küssen sich! Voll haram. Die sind auch schwul, die Spasten, und bestimmt auch voll Künstler.
    «Aber solche Leute sieht man doch in unserem Bezirk andauernd», werfe ich ein.
    Niemals! Und dann schmeißt sich der eine Spast auf den Boden, pervers, der andere springt in einem Abrisshaus herum, echt krass, und klatscht Farbe an die Hauswand. Tschüüüüsch! Voll verrückt, voll die Künstlers! Was die machen, nicht normal, die sind behindert, ich schwör!
    Plötzlich bleibt eine Besucherin neben uns stehen, sie ist vielleicht Mitte vierzig, groß, schlank, gut angezogen und sieht mich aggressiv an. Ich fühle mich gar nicht gemeint und blicke harmlos zurück.
    «Erziehen Sie mal Ihre Schüler zu weltoffenen Menschen!», schnauzt sie mich an.
    Mir fällt alles aus dem Gesicht. Was denkt die eigentlich, was ich den lieben langen Tag so mache?
    «Deshalb sind die Schüler ja auch hier», erwidert die Museumsfrau taktisch klug. Ich schiebe mich vorsichtshalber zwischen die Frau und meine Schüler, die aufgeschreckt sind und sich und mich und die Frau anstarren. Zum Glück haben sie nicht kapiert, was die gesagt hat, und Gott sei Dank geht die nun auch mit wackelndem Kopf weiter. Sogar von hinten strahlt sie noch Empörung aus.
    Das ist das Problem, denke ich, wie soll man Schüler weltoffen erziehen, wenn man überall aneckt? Deshalb gehen wir eher ungern aus der Schule raus, weil es eigentlich immer Ärger und Stress mit denen gibt, die nicht besonders weltoffen auf uns reagieren.
    Dann entern wir die Werkstatt und werden selbst aktiv, im Stil des Malers. Voll einfach, sollte man meinen, aber dem ist nicht so. Locker-flockig zu Musik einen Menschen in einer bestimmten Pose aufs Papier zu «werfen» ist ganz schön schwer. Außerdem auch noch im Stehen! Das geht gar nicht. Voll die Zumutung.
    Alle stöhnen und klagen. Rücken, Fuß, Kopf, Bauch, Knie – alles schmerzt schon nach zehn Minuten, und das stört die künstlerische Gestaltungsbereitschaft erheblich.
    Irgendwann brechen die Museumspädagogen ein und erlauben, dass Stühle an die Tische gestellt werden.
    Die gemalten Ergebnisse sind gar nicht sooo übel. Die Pädagogen sind hellauf begeistert.
    Karl und ich bleiben in unserer Begeisterung deutlich zurückhaltender, denn wir beobachten, wie mit der zunehmenden gewünschten Lockerheit im Ellenbogen- und Handgelenk auch eine weniger gewünschte Lockerung der Sitten einhergeht. Man bedient sich zum Beispiel unauffällig an den offenen Regalen und fesselt mal kurz Hanna mit Kabelbindern, schreit sich mit vielen «Vallahs» und «Hässlichkeiten» an und hört den beiden Museumspädagogen in keiner Weise mehr zu.
    Ich erlaube mir einzugreifen und stelle kurzfristig wieder eine halbwegs normale Situation her. Aber die Luft ist raus. Wir machen Schluss, etwas zu früh, aber besser so, finden die Pädagogen. Na ja …
    In der Schlussrunde kommt dann alles vor, von «Hat voll Spaß gemacht» bis «Hat mich nicht interessiert». Ali sagt: «Immer noch besser als Schule», und zwinkert mir zu.
    Als alle weg sind, gucken die beiden Museumsleute Karl und mich entgeistert an. Seit sechs Jahren machen sie den Job, aber so eine Klasse hätten sie bisher noch nicht gehabt.
    «Mit solchen Klassen geht man normalerweise nicht Museum, äh, ins Museum», erkläre ich. «Wir haben uns auch erst jetzt getraut, nachdem die wirklich schwierigen Schüler nicht mehr in unserer Klasse sind. Und es war ja immer noch grenzwertig.»
    Die beiden schütteln den Kopf, nein, wirklich, eine fremde Welt!
    Die Meister hatten dieses Problem nicht, denke ich, die kennen diese Klientel.
    Aber

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