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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frl. Krise
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und ich. Ich weiß sogar noch die Uhrzeit … 16.52.» Emre malt liebevoll ein grünes Kästchen aus.
    «Echt? Und was war da? Hast du sie da zum ersten Mal gesehen?»
    «Nee!» Emre lässt uns zappeln.
    «Da hat er sie gefragt, ob sie ein Stück Knoblauchwurst will», berichtet uns Ömür, der genau Bescheid weiß, besonders wenn’s ums Essen geht.
    «Was Knoblauchwurst! Was redest du, Fresssack?» Emre boxt Ömür auf den Arm, beinahe kippt dabei sein Wassernapf um.
    «Das war doch meine erste Freundin, die mit der Knoblauchwurst!»
    Wir anderen sehen uns ratlos an. Emre und ein Mädchen und Knoblauchwurst?
    «Ja, das Mädchen habe ich in Markthalle gesehen, und da gab’s umsonst so Knoblauchwurst. Da hab ich sie gefragt, ob sie welche will.»
    «Hat sie ja gesagt?», will Hanna wissen.
    «Das ist doch völlig egal», unterbreche ich. «Schnee von gestern. Ich will das mit Emres jetziger Freundin wissen, mit Merve oder wie sie heißt.»
    «Melek!», sagt Emre und malt nun bedächtig ein rotes Kästchen aus. Wir arbeiten gerade an einem monumentalen Bild nach Gerhard Richters Fenster im Kölner Dom. «Also, wir waren Ruderboot auf dem See, und mitten auf dem See hab ich gefragt, ob sie mit mir gehen will. Um 16.52! Sie hat aber nicht gleich ja gesagt. Erst ein Tag später.»
    «Sie hatte voll Angst, dass du sie ins Wasser schmeißt, wenn sie nein sagt», behauptet Gamze und isst unauffällig ein bisschen trockene Chinasuppe.
    «Weg mit dem ekelhaften Gekrümel!», herrsche ich sie an, aber sie stopft sich schnell noch den Rest in den Mund.
    «Voll süüüüüüß!» Nesrin ist hin und weg. «Auf einem Boot!»
    «Ja, genau wie auf der Titanic .» Ich bin ein bisschen herzlos.
    «Und jetzt am Samstag habe ich Boot gemietet für 350 Euro», erzählt Emre beiläufig und wäscht seinen Pinsel sorgfältig aus, bevor er ihn in die gelbe Farbe taucht.
    «Nein!»
    Wir sind entgeistert. 350 Euro! Spinnt der?
    «Was das? Ein U-Boot oder was?» Aynur kommt extra von hinten zu uns nach vorne.
    «Quatsch. Was redest du! Das ist so Motorboot. Wir halten dann an einer Stelle, und dann kommen so Kerzen rund um uns aus dem Wasser raus … Vallah, ich weiß auch nicht, wie das geht.» Emre guckt etwas ratlos.
    Wir sind platt. Wir wissen, Emre verwöhnt seine Melek. Neulich hat sie sich für 200 Euro Klamotten kaufen dürfen, und zum Geburtstag hat er ihr eine Goldkette geschenkt. Dafür arbeitet er aber auch jedes Wochenende an einem Gemüsestand. Aber das jetzt schlägt alles.
    «Voll süüüüüüß … Kerzen aus dem Wasser!» Nesrin kriegt sich nicht mehr ein. Die Jungen schweigen, und die Mädchen gucken verzückt.
    «Sag mal, Emre, kann das sein, dass du voll romantisch bist?», frage ich.
    Er seufzt und nickt. «Ja! Meine große Schwester wollte mich schon schlagen. Sie ist voll eifersüchtig», gesteht er bescheiden. «Sie hat mir gemeint, bestimmt wird sie niemals so ein romantischen Mann bekommen, der ihr so tolle Sachen macht!»
    «Das befürchte ich auch.»
    «Hat Ihr Mann schon mal so was für Ihnen gemacht?», fragt Nesrin.
    «So was nicht», sage ich, «der ist nicht so romantisch. Aber ich auch nicht, eigentlich …!»
    Nesrin quiekt empört. Nicht-romantisch-Sein geht ja wohl gar nicht! Sie guckt mich ein bisschen mitleidig an. Armes Frl. Krise!
    Da klingelt es. Wir fahren hoch. Mist, wieder mal nicht auf die Uhr geachtet! Emre aber auch immer mit seinen Storys! Wir müssen in Windeseile aufräumen, das heißt hauptsächlich ich, weil ich ja noch alles in den Vorbereitungsraum bringen und dort in den Schränken verstauen muss. Abgehetzt und verspätet komme ich in den nächsten Unterricht.
    Geh mir weg mit Romantik!

Bei Malers
    Ich bin mit der Hälfte der Klasse um kurz nach acht auf dem Schulhof verabredet. Alle sind pünktlich da – außer Leila, die kommt vorsichtshalber gar nicht. Und Erkan, der eigentlich zur Gruppe der Konditoren gehört, steht komischerweise auch bei uns.
    «Ich war spät», sagt er wenig schuldbewusst. «Die Konditors waren schon weg. Ist es okay, wenn ich mit zu Malers gehe, wa?» Die Konditors sind schon vor acht mit Karl abmarschiert, die haben einen weiten Weg; die Malerinnung dagegen liegt in der Nähe der Schule.
    Wir wollen eine Woche lang Handwerksinnungen besuchen, und eine Koordinatorin des Projekts, sie heißt Frau Stein, begleitet uns. Sie wird auch die Besuche im Unterricht nachbereiten. Man muss wirklich sagen, unsere Schüler haben jede Chance, sich gründlich über

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