Ghost Dusters 01 - Die Geisterfeger
immer daran erinnerten, das der Sohn sich die Pulsadern aufgeschnitten hatte.
Sadie trug den letzten vollen Abfallbehälter hinunter zum Lieferwagen und war überrascht, dass Zack noch da war und auf sie wartete. Er lehnte lässig am Wagen, das Gesicht halb im Dunkeln.
»Du hättest nicht auf mich warten müssen«, bemerkte Sadie.
Er öffnete die hintere Tür des Lieferwagens und nahm ihr den Abfallbehälter ab.
»Hat sie bezahlt?«, fragte er.
»Du kriegst den Lohn, der dir zusteht.«
»Das war nicht meine Frage.«
»Es ist meine Firma, Zack«, erinnerte sie ihn. »Ich regle die Dinge auf meine Art.«
Sie wandte sich ihm zu, stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn herausfordernd an. Eine kleine Auseinandersetzung würde ihr vielleicht zumindest für eine Weile die Angst nehmen. Aber stattdessen brach Zack in Gelächter aus.
»Na komm, ich lad dich zum Abendessen ein«, sagte er.
Zuerst mussten sie jedoch noch die Abfallbehälter ausladen und den Firmenwagen in Sadies Garage stellen. Zack bestand darauf, im Haus und im Garten noch einmal nach dem Rechten zu sehen, bevor Sadie in seinen Mustang stieg. In einem Lokal in der Nähe gab es ziemlich gute Hamburger. Sie setzten sich an einen Tisch gleich neben dem Grill, an dem die Hamburger auf offener Flamme gebraten wurden, etwas abseits von den Büroleuten, die nach Geschäftsschluss hierhergekommen waren und nun vergaßen, nach Hause zu gehen.
Sie gaben ihre Bestellung bei einer gestressten Bedienung auf.
»Du warst heute bei der Arbeit ziemlich still«, sagte Sadie.
»Wenn ein junger Mensch sich das Leben nimmt, ist es immer am schlimmsten. Du warst aber auch nicht gerade gesprächig. Hast du dich zusammengerissen? War ich der Grund, weshalb du nicht mit dem Toten geredet hast?«
»Ich hab ihn nicht gesehen, weil Selbstmörder sich nicht an mich wenden.«
»Ach ja, richtig. Das hab ich ganz vergessen. Vielleicht arbeite
ich ja schon zu lange mit dir, aber etwas ist schon sehr seltsam. Weißt du, immer wenn ich es mit dem Selbstmord eines Jugendlichen zu tun habe, würde ich am liebsten jeden Teenager bei der Hand nehmen, ihm unsere Arbeit zeigen und ihn für ein paar Minuten am Ort des Geschehens verweilen lassen.«
»Und ihn dann noch eine Stunde lang in die Augen der Hinterbliebenen schauen lassen.«
»Man kann diese Arbeit nur durchhalten, wenn man sich immer wieder sagt, dass die Angehörigen uns brauchen.«
»Niemand sollte das Blut seines eigenen Bruders aufwischen müssen.«
Als Zack die Stirn runzelte, bemerkte Sadie ihren Ausrutscher.
»Ich meinte das Blut des eigenen Sohnes.«
Die Bedienung brachte das Bier und stellte die Gläser auf kleine Pappuntersetzer mit komischen Sprüchen darauf. Auf Sadies Untersetzer stand: So viel Bier, so wenig Zeit. Und auf Zacks: Über Bier lässt sich streiten.
»Möchtest du über Brian reden?«, fragte Zack plötzlich.
»Eigentlich nicht.«
»Ich arbeite jetzt seit einem Jahr für dich, und in dieser Zeit hast du nicht oft darüber gesprochen. Soll ich dir sagen, was ich davon halte?«
»Ich denke, du wirst es mir ohnehin sagen«, erwiderte Sadie schmunzelnd.
»Stimmt.« Er trank einen Schluck Bier. »Nachdem du deinen Bruder verloren hattest, sollte diese Arbeit vermutlich eine Art Therapie sein, doch nach fünf Jahren hat sie dich nicht geheilt, sondern nur betäubt. Sie betäubt den Kummer,
den du verarbeiten solltest. Da drin«, sagte er und stieß mit dem Finger gegen die eigene Brust.
»Vielen Dank, Herr Psychologe, für die kostenlose Analyse meines seelischen Befindens«, spottete Sadie.
»Hey, ich wollte doch nur...«
»Und was ist mit dir? Wie hast du dich gefühlt, als wir vor vier Wochen die unschönen Überreste von diesem Heroinabhängigen wegputzen mussten, der an einer Überdosis gestorben war? Hast du dich da sehnsüchtig an die Zeit erinnert, als du selbst noch süchtig nach Vicodin warst?«
Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Wut und Schmerz huschten über sein Gesicht, bevor sich diese Gefühle in blanken Zorn verwandelten. Er stand auf, warf einen Zwanziger auf den Tisch und stürmte wortlos aus dem Lokal.
»Verdammt«, murmelte Sadie und kippte ihr halbes Glas Bier hinunter.
Sie war zu weit gegangen. Eigentlich hätte sie ihm nachlaufen sollen, doch das tat sie nicht. Stattdessen versuchte sie das Ganze zu vergessen, indem sie sich kurz hintereinander noch ein paar Bier und einige Gläschen Wodka bestellte. Als sie kurz nach zehn vor ihrem Haus aus dem Taxi
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