Ghost Lover
Motorrad glitt durch Marcus’ Körper und bewies Ella, dass er immer noch ein Geist war, wenn auch nicht für sie. Fasziniert sah sie, dass sich Reifen und Rumpf für einen Moment mit einer Raureifschicht überzogen.
Ella richtete sich auf und beobachtete fassungslos, wie die Jugendlichen wilde Kreise in der Auffahrt drehten. Kies spritzte empor wie Gischt, die sich an Felsen brach.
Sie riss die Arme hoch und rannte auf die Motorradgang zu.
„Hört auf! Verschwindet!“, rief sie.
Die Jugendlichen lachten und riefen ihr grobe Beleidigungen zu, ehe sie mit aufheulenden Motoren vom Anwesen jagten.
„Dieses Jungvolk, kein Respekt.“ Marcus zog Ella in die Arme. Ihr Herz pochte so wild, dass sie glaubte, das Echo an seiner Brust zu fühlen. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass der Zwischenfall kein Zufall gewesen war.
Ella saß an Marcus gekuschelt auf der Terrasse und sah zu, wie die Sonne hinter den Bäumen unterging.
„Ich habe mir früher nie die Zeit genommen, den Sonnenuntergang zu beobachten. Es gab immer etwas Wichtigeres zu tun. Ich war ja noch jung und hätte so viel Zeit gehabt.“ Marcus’ Gesicht verzog sich wehmütig. Er sah Ella in die Augen. „Denke immer daran, die Zeit vergeht unaufhaltsam.
Vergeude keinen Moment deines Lebens. Das Heute ist Morgen bereits Vergangenheit.“
Ella küsste ihn. „Du wirst mich daran erinnern.“ Marcus’ Herz durchzuckte ein dumpfer Schmerz. Sein Kopf riet ihm, Ella mit der schonungslosen Wahrheit zu konfrontieren, doch sein Bauch und sein verräterisches Herz hinderten ihn, sie zu erinnern, dass er vielleicht schon morgen für sie verloren sein könnte. Dass er nur noch ein Schatten, ein Dunst, ein Poltern und Klopfen wäre. Tage, Wochen, sogar Jahre im Nichts verschwunden, bevor er durch eine Laune Gottes wieder erschien.
Und dass er es nicht über sich bringen könnte, ihr in seinen klaren Phasen zu begegnen und es noch weniger ertragen könnte, sie unglücklich oder in den Armen eines anderen Mannes zu sehen.
Er zog sie auf seinen Schoß und küsste sie wild und leidenschaftlich. Ellas Finger griffen in sein Haar und sie erwiderte den Kuss mit derselben Inbrunst. Ellas Geruch und Geschmack machten Marcus trunken. Ihre Hände glitten über seinen Rücken, ihre Brüste drückten sich gegen seinen Oberkörper. Sie gab wieder diesen süßen Seufzer von sich, der Marcus so verrückt machte. Seine Hand wanderte in ihren Ausschnitt. … und ein grauenhaft schrilles Heulen erklang.
Fluchend stoben sie auseinander.
Ella sah sich mit wildem Blick um. „Wie bewerkstelligt er das nur?“
„Steven?“
„Wer denn sonst?“ Sie stieß ein knurrendes Geräusch aus und Marcus fand sie bezaubernd in ihrer Wut. „Langsam glaube ich, die Wyndhams sind nur auf Erden, um mich in den Wahnsinn zu treiben.“ Marcus lachte. „Ein bisschen zu viel der Ehre. Als das Geschlecht entstand, wussten wir gar nichts von einer künftigen Begegnung mit dir.“ Das Heulen und irre Plappern zerrte an seinen Nerven, stach in sein Zahnfleisch wie der scharfe Haken eines Barbiers.
Ella stemmte die Hände in die Hüften und sah sich um.
„Wie zur Hölle macht er das nur?“
Das Lärmen verstummte.
„Welch ein Glück“, seufzte Marcus.
„Ich möchte trotzdem wissen, woher die Geräusche kommen. Wie schafft er es, diesen infernalischen Krach zu produzieren?“
„Eine neumodische Maschine?“, schlug Marcus vor.
Ella schlug die Hand vor ihre Stirn. „Natürlich, Steven hat irgendetwas installiert.“ Sie stöhnte auf. „Damit steht mein Plan für morgen fest, ich werde im Haus nach etwas suchen müssen, das diesen Krach produziert.“ Ihr Gespräch wurde von einem Wagen unterbrochen, der die Auffahrt heraufkam. Ella und Marcus gingen nach vorn und erkannten einen unbekannten Geländewagen mit Londoner Kennzeichen.
Ein Mann sprang aus dem Auto. Er war lang und dürr wie eine Holzlatte.
In sein scharf geschnittenes Gesicht fielen weizenblonde Locken, auf denen ein breitkrempiger Hut à la Crocodile Dundee thronte. Anders als Mick Dundee trug der Mann jedoch ein kariertes Hemd zu seiner braunen Lederweste.
„Hallo?“ Ella trat näher. „Kann ich Ihnen helfen? Haben Sie sich verfahren?“
„Ist das hier Rose Cottage?“, fragte der Mann und schob den Hut in den Nacken.
„Ja.“ Ella runzelte die Stirn und fühlte Marcus’ Hand auf ihrer Schulter.
„Was wollen Sie und wer sind Sie?“ War das ein weiterer Versuch Stevens, sie aus dem Haus zu vertreiben? Der
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