Ghost Street
links ab und parkte hinter dem Garten der Pfarrei. Jetzt zahlte sich aus, dasser die Kirche genau studiert hatte und auch die Hinterausgänge kannte. Einer führte in den verwilderten Garten.
Er hatte richtig kombiniert. Schon wenige Minuten nachdem er geparkt hatte, kam der Pfarrer durch den Garten geschlichen und stieg in einen kleinen Lieferwagen, den er wahrscheinlich für Besorgungen und andere Dienstfahrten benutzte. Mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht, wie der Killer annahm, fuhr er davon und bog zur Hauptstraße ab.
Der Killer hatte keine Eile. Er wusste genau, wohin der Pfarrer fuhr, und hielt großzügig Abstand. Die Detectives blieben ahnungslos zurück. Sie würden einen ziemlichen Rüffel bekommen, wenn die Leichen des Pfaffen und der Frau am nächsten Morgen gefunden wurden. Mit etwas Hirn hätten sie auch den Hinterausgang bewacht. Aber woher sollten sie auch wissen, in welcher Mission der Pfarrer nachts unterwegs war?
Wie schon am letzten Donnerstag fuhr Keane auf der Interstate 95 in südwestlicher Richtung aus der Stadt und bog ein paar Meilen außerhalb auf eine einsame Landstraße ab. Der Killer blieb weit hinter ihm, achtete sorgfältig darauf, dass er mit den Scheinwerfern seines Wagens nicht in den Rückspiegel seines Opfers geriet. Wahrscheinlich übertriebene Vorsicht, denn der Pfarrer hatte jetzt sicher nur seine Geliebte im Kopf. Sinnliche Gedanken, die bald in einem Höllenfeuer zerstört werden würden.
Als das einsam gelegene Haus, das Keane ansteuerte, hinter einem Hügel auftauchte, lächelte der Killer in stiller Vorfreude. Nur noch wenige Minuten, dann würde er eine weitere Aufgabe seiner Mission erfüllt haben.
32
Father Roy Keane jr. fuhr zu dem verwitterten Holzhaus und parkte im Schatten der mächtigen Bäume, die sich links davon erhoben. Das Haus gehörte der Kirche und stand schon seit einigen Wochen zum Verkauf. Marys roter Honda stand schon da. Er stieg aus und blieb einen Moment stehen, als sich ein Wagen der Kreuzung näherte. Als er vorbeifuhr, atmete Keane erleichtert auf. Die Cops hatten nicht gemerkt, dass er weggefahren war.
Er stieg die Stufen zum Eingang hoch und öffnete die Tür. Mary erwartete ihn im ehemaligen Wohnzimmer, einem beinahe quadratischen Raum, in dem noch die alte Couch des früheren Besitzers stand. Auf einer Obstkiste neben der Couch stand die Sturmlampe, die sie für ihre Dates in dem Haus deponiert hatten. Das Licht war nicht gerade romantisch, doch es ließ Mary, die in einem kurzen Nachthemd vor der Couch stand, verführerisch glänzen.
Bei ihrem Anblick war Keanes schlechtes Gewissen wie weggeblasen. Sie war die Versuchung in Person, eine perfekte Eva mit langen Beinen und dunklen Augen, in denen ein ständiges Versprechen lag. Ihre sanfte schwarze Haut spannte sich über leicht hervorstehenden Wangenknochen, und wenn sie lächelte, blitzten Zähne so weiß wie Elfenbein.
»Mary!«, flüsterte er heiser. Er nahm sie in die Arme, so vorsichtig, als wäre sie zerbrechliches Porzellan, und küsste sie zart, doch schon nach wenigen Augenblicken übermannte ihn die Leidenschaft und er küsste sie so wild und ungestüm, als hätte er sie Jahre nicht mehr in den Armen gehalten.
Warum sie ihn liebte, wusste er nicht. Er war immerhin schon Anfang fünfzig, seine Haare waren angegraut, und sie hatte noch nicht einmal die dreißig überschritten. Mit ihrem Aussehen konnte sie jeden Mann haben, und wenn sie ihren Ehemann verlassen wollte, hätte sie sich auch einen der reichen »Vorzeigeneger« wählen können, wie Weiße ihre erfolgreichen schwarzen Mitbürger hinter vorgehaltener Hand nannten.
Aber sie liebte nur ihn und war nur glücklich, wenn er sie in seinen Armen hielt. Das sagte sie ihm jedenfalls immer wieder, während sie sich gegenseitig die Kleider von den Körpern rissen und ungeduldig auf die Couch niedersanken. »Mary! Ich liebe dich!«, seufzte er.
»Warum müssen wir uns dann in diesem alten Haus lieben? Haben wir denn nichts Besseres verdient? Ein gemütliches Hotel oder meinetwegen auch ein Motel?«, fragte Mary.
Er strich ihr mit zwei Fingern über die Wange. »Du weißt doch, was dann passieren würde, Schatz. Du bist mit einem reichen Nachtklubbesitzer verheiratet und ich bin der Pfarrer einer angesehenen Gemeinde. Wir verstoßen gegen das sechste und neunte Gebot: Du sollst nicht ehebrechen und du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib. Man würde uns aus der Gemeinde ausstoßen.« Er blickte zur Decke, als
Weitere Kostenlose Bücher