Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
weiten Bogen um die ungeduldig am Gepäckkarussell wartenden Menschen und ging hinaus in die Ankunftshalle.
    Es herrschte reger Betrieb, die Menschen hatten es eilig, in die Innenstadt oder nach Hause zum Abendessen zu kommen. Ich ließ meinen Blick über die verwirrende Menge an Gesichtern schweifen und fragte mich, ob Rycart selbst auftauchen würde, um mich abzuholen. Ich sah niemanden, der mir bekannt vorkam. Die übliche Phalanx schwermütig dreinblickender Fahrer wartete mit Namensschildern vor der Brust auf ihre Kundschaft. Sie schauten stur geradeaus und vermieden jeden Augenkontakt, so wie Verdächtige bei einer polizeilichen Gegenüberstellung. Und ich schritt wie ein ängstlicher Augenzeuge die Front ab, schaute jedem genau ins Gesicht, weil ich keinen Fehler machen wollte. Rycart hatte angedeutet, dass ich die richtige Person schon erkennen würde, wenn ich sie sah. Als ich sie dann sah, wäre mir fast das Herz stehen geblieben. Der Mann stand etwas abseits von den anderen – blasses Gesicht, dunkles Haar, groß, kräftig gebaut, Anfang fünfzig, schlecht sitzender Anzug von der Stange – und hielt eine kleine Schultafel in der Hand, auf der mit Kreide »Mike McAra« geschrieben stand. Sogar seine Augen sahen so aus, wie ich mir McAras Augen vorgestellt hatte: listig und farblos.
    Er kaute Kaugummi. Er nickte zu meinem Koffer. »Sie kommen klar damit.« Das war eine Feststellung, keine Frage, aber es war mir egal. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so gefreut, den New Yorker Akzent zu hören. Er drehte sich auf dem Absatz um, und ich folgte ihm quer durch die Halle hinaus in den Höllenlärm der Nacht: schrilles Kreischen, Pfeifen, knallende Autotüren, der atavistische Kampf um ein Taxi, Sirenen in der Ferne.
    Er holte seinen Wagen, kurbelte das Fenster herunter und winkte ungeduldig, damit ich schnell einstieg. Während ich hastig meinen Koffer auf dem Rücksitz verstaute, hielt er mit beiden Händen das Lenkrad umklammert und starrte stur geradeaus, um erst gar keine Konversation aufkommen zu lassen. Nicht dass viel Zeit zum Reden gewesen wäre. Wir hatten kaum das Flughafengelände verlassen, als wir auch schon vor einem großen glasverkleideten Hotel- und Kongresszentrum mit Blick auf den Grand Central Parkway wieder anhielten. Ächzend wandte er seinen massigen Körper zu mir um und schaute mich an. Das Wagen stank nach seinem Schweiß. Als ich draußen im Nieselregen den trostlosen, anonymen Kasten sah, packte mich eine Sekunde lang der pure existenzielle Horror: Was um Himmels willen machte ich nur?
    »Wenn Sie mit uns in Kontakt treten wollen, benutzen Sie das hier«, sagte er und gab mir ein neues Mobiltelefon, das noch in seiner Originalverpackung steckte. »Da ist ein Chip drin, mit dem Sie für zwanzig Dollar telefonieren können. Benutzen Sie nicht Ihr altes Handy. Schalten Sie es einfach aus, das ist das Sicherste. Das Zimmer zahlen Sie im Voraus, bar. Haben Sie genug Bargeld eingesteckt? Kostet um die dreihundert Dollar.«
    Ich nickte.
    »Sie bleiben eine Nacht. Das Zimmer ist reserviert.« Er zog seine dicke Brieftasche aus der Gesäßtasche. »Als Sicherheit für irgendwelche Extras benutzen Sie diese Kreditkarte hier. Auf den Namen ist auch Ihr Zimmer bestellt. Als Ihre Heimatadresse geben Sie irgendeine in England an, nur nicht Ihre eigene. Und wenn Sie wirklich irgendwelche Extras begleichen müssen, dann zahlen Sie auf jeden Fall bar. Hier ist die Telefonnummer, mit der Sie von jetzt an mit uns in Kontakt treten können.«
    »Sie sind früher Polizist gewesen, oder?«, sagte ich. Ich nahm die Kreditkarte und den aus einem Notizbuch herausgerissenen Zettel, auf dem in Kinderschrift die Telefonnummer stand. Das Plastik und das Papier waren körperwarm.
    »Benutzen Sie nicht das Internet. Sprechen Sie nicht mit Fremden. Meiden Sie vor allem Frauen, die versuchen sollten, sich an Sie heranzumachen.«
    »Sie hören sich an wie meine Mutter.«
    Er zuckte nicht mit der Wimper. Wir blieben noch ein paar Sekunden im Wagen sitzen. »Also dann«, sagte er ungeduldig. Er machte eine Bewegung mit seiner fleischigen Hand. »Das ist alles.«
    Nachdem ich durch die Glasdrehtür in die Hotellobby gegangen war, schaute ich mir den Namen auf der Kreditkarte an: Clive Dixon. Eine große Konferenz war gerade zu Ende gegangen. Die plappernden Delegierten, die sich über die riesige weiße Marmorfläche schoben, ließen mich an einen Schwarm krächzender Krähen denken. Sie trugen schwarze Anzüge

Weitere Kostenlose Bücher