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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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er zurück, baute sich drohend vor mir auf und zeigte mit seinem gebräunten Zeigefinger direkt auf mein Gesicht.
    »Wenn Sie ein falsches Spiel mit mir treiben, dann werden Sie dafür bezahlen«, sagte er. »Und falls Sie daran zweifeln, dass ich sehr nachtragend sein kann und am Ende noch jede Rechnung beglichen habe, dann fragen Sie Adam Lang.«
    »Schön«, sagte ich.
    Er war zu erregt, um sich wieder ruhig hinzusetzen. Erst da ging mir auf, unter welchem Druck er stand. Eines musste man Rycart lassen. Man brauchte schon Nerven, um seinen früheren Parteichef und Premierminister vor ein Kriegsverbrechertribunal zu zerren.
    »Diese Geschichte mit dem Strafgerichtshof«, sagte er und ging dabei vor dem Bett hin und her. »Die Sache ist erst seit einer Woche in den Schlagzeilen, aber eins können Sie mir glauben, hinter den Kulissen arbeite ich schon seit Jahren daran. Irak, die Überstellung von Gefangenen, Folter, Guantánamo ... Was in diesem sogenannten Krieg gegen den Terror abläuft, ist nach internationalem Recht genauso illegal wie das, was im Kosovo oder in Liberia passiert ist. Mit einem Unterschied: Diesmal sind wir die Täter. Die Scheinheiligkeit ist zum Erbrechen.«
    Ihm schien aufzugehen, dass er gerade zu einer Rede anhob, die er schon viel zu oft gehalten hatte, und riss sich zusammen. Er trank einen Schluck Wasser. »Wie auch immer, Rhetorik ist eine Sache, Beweise sind eine andere. Ich spürte, dass sich das politische Klima veränderte. Und das kam mir zupass. Jedes Mal, wenn eine neue Bombe hochging, jedes Mal, wenn wieder ein Soldat umkam, jedes Mal, wenn ein bisschen klarer wurde, dass wir erneut einen hundertjährigen Krieg angefangen hatten, ohne einen Schimmer zu haben, wie wir da wieder rauskommen, verschob sich die Situation zu meinen Gunsten. Es war nicht mehr unvorstellbar, dass ein ehemaliger Regierungschef eines westlichen Landes auf der Anklagebank landen konnte. Je schlimmer der Schlamassel wurde, den er hinterlassen hat, desto mehr Menschen waren bereit, genauer hinzuschauen ... wollten genauer hinschauen. Was ich brauchte, war ein einziger Beleg, der nach juristischen Standards Beweiskraft enthielt – ein einziges Dokument mit seinem Namen hätte ausgereicht. Aber ich hatte keins.
    Und plötzlich, das war kurz vor Weihnachten, hatte ich dieses Dokument in der Hand. Es ist mir mit der Post auf den Schreibtisch geflattert. Ohne jedes Begleitschreiben. ›Streng geheim. Memorandum des Premierministers an den Verteidigungsminister‹. Es war fünf Jahre alt und stammte aus der Zeit, als ich noch Außenminister war. Und ich hatte keine Ahnung von seiner Existenz gehabt. Eine Smoking Gun wie aus dem Bilderbuch – und der Lauf war noch heiß! Eine Direktive des britischen Premierministers, dass die SAS diese vier armen Schweine in Pakistan einkassieren und der CIA übergeben sollen.«
    »Ein Kriegsverbrechen«, sagte ich.
    »Ein Kriegsverbrechen«, wiederholte er. »Ein geringrangiges, zugegeben, aber was soll’s? Al Capone haben sie auch nur wegen Steuerhinterziehung drangekriegt. Das hieß ja nicht, dass er kein Gangster war. Ich habe von verschiedener Seite diskret überprüfen lassen, ob das Memo authentisch ist, und dann habe ich es persönlich in Den Haag abgeliefert.«
    »Und Sie hatten keine Ahnung, wer Ihnen das hat zukommen lassen?«
    »Nein. Bis mein anonymer Helfer mich angerufen und es mir selbst erzählt hat. Da wäre ich gern dabei, wenn Lang den Namen hört. Das wird das Schlimmste überhaupt für ihn.« Er beugte sich zu mir herunter und sagte: »Mike McAra!«
    Rückblickend habe ich wahrscheinlich damals schon geahnt, dass es sich um McAra gehandelt hat. Aber ein Verdacht ist nun einmal etwas völlig anderes als die tatsächliche Bestätigung. An Rycarts Frohlocken in diesem Augenblick konnte man gut das Ausmaß von McAras Verrat ermessen.
    »Er hat mich angerufen! Ist das zu fassen? Wenn mir jemand erzählt hätte, dass mir jemals von Mike McAra Schützenhilfe zuteil werden würde, ausgerechnet, ich hätte ihn ausgelacht.«
    »Wann war das, als er Sie angerufen hat?«
    »Etwa drei Wochen, nachdem ich das Dokument bekommen habe. Am achten Januar vielleicht. Oder am neunten. Um den Dreh. ›Hallo, Richard. Ist das kleine Präsent angekommen, das ich Ihnen geschickt habe?‹ Ich habe fast einen Herzanfall bekommen. Aber dann bin ich ihm gleich ins Wort gefallen, dass er bloß nicht weiterreden soll. Wegen der Telefone in der UN, Sie wissen ja, die sind alle

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