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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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sollten darüber lieber nicht am Telefon sprechen.«
    »Keine Angst, ich bin ja nicht völlig verblödet. Es ist bloß so, je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr Sorgen mache ich mir.«
    »Wo ist Adam?«
    »Soviel ich weiß, immer noch in Washington. Er versucht ständig, mich zu erreichen, und ich geh ständig nicht ran. Wann kommt du zurück?«
    »Kann ich noch nicht sagen.«
    »Bis Abend?«
    »Ich versuch’s.«
    »Wär schön.« Sie senkte die Stimme: Ich stellte mir vor, dass ganz in der Nähe ein Leibwächter stand. »Dep hat heute ihren freien Abend. Ich koche.«
    »Als Leistungsansporn?«
    »Du ungehobelter Schnösel«, sagte sie und lachte. Wie sie das Gespräch begonnen hatte, plötzlich und grußlos, so beendete sie es auch.
    Ich tippte mit dem Handy gegen meine Zähne. Die Aussicht auf einen vertraulichen Plausch am Kamin, möglicherweise abgerundet von einer weiteren Runde in ihren Armen, war nicht ohne Reiz. Ich konnte Rycart anrufen und sagen, dass ich es mir anders überlegt hätte. Unschlüssig nahm ich meinen Koffer aus dem Wagen und rollte ihn um die Pfützen herum zu dem wartenden Bus. Als ich auf meinem Platz saß, stellte ich den Koffer ganz dicht neben mein Bein und studierte die Flughafenkarte. Dabei ergab sich noch eine weitere Option: nämlich die zwischen Terminal B, dem Flug nach New York zu Rycart, und Terminal E, wo die Auslandsflüge starteten und ich den Nachtflug nach London nehmen konnte. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Meinen Pass hatte ich dabei, mehr brauchte ich nicht. Ich konnte einfach abhauen.
    B oder E? Ich zog beide Möglichkeiten ernsthaft in Betracht. Ich kam mir wie vor eine Laborratte in einem Labyrinth, die sich permanent vor zwei Alternativen gestellt sah und permanent die falsche wählte.
    Die Bustüren öffneten sich mit einem tiefen Seufzer.
    Ich stieg bei B aus, kaufte mir ein Ticket, schickte eine SMS an Rycart und nahm den US Airways Shuttle nach La Guardia.
     
     
    *
     
    Aus irgendeinem Grund verzögerte sich der Abflug. Wir waren pünktlich auf die Rollbahn gerollt, hatten aber kurz vor der Startbahn angehalten und höflich den hinter uns wartenden Maschinen den Vortritt gelassen. Es fing an zu regnen. Ich schaute durch mein Fenster auf das flach auf den Boden gedrückte Gras und das Meer und den Himmel, die wie zusammengeschweißte Platten aussahen. Klare Wasseradern bewegten sich in Schlangenlinien über die Scheibe. Bei jedem Start eines anderen Flugzeugs zitterte die dünne Kabinenhaut, die Adern zerrissen und suchten sich neue Wege. Der Pilot entschuldigte sich per Lautsprecher für die Verzögerung. Es gebe, sagte er, irgendein Problem mit der Sicherheitsüberprüfung. Das Ministerium für Heimatschutz habe gerade die Bedrohungsstufe von Gelb (erhöht) auf Orange (hoch) geschraubt, er bedanke sich für unsere Geduld. Die Unruhe unter den Geschäftsleuten um mich herum nahm zu. Der Mann, der neben mir saß, schaute mich über den Rand seiner rosafarbenen Zeitung hinweg an und schüttelte den Kopf.
    »Es wird immer schlimmer«, sagte er.
    Er faltete die Financial Times zusammen, legte sie auf seinen Laptop und schloss die Augen. Die Schlagzeile lautete »USA stützt Lang«. Und wieder das Grinsen. Ruth hatte recht gehabt. Er hätte nicht grinsen dürfen. Es war um die Welt gegangen.
    Mein kleiner Koffer war im Gepäckfach über mir verstaut, meine Füße ruhten auf der Schultertasche, die vor meinem Sitz stand. Alles war in Ordnung. Trotzdem konnte ich mich nicht entspannen. Ich fühlte mich schuldig, obwohl ich nichts Falsches getan hatte. Irgendwie rechnete ich damit, dass FBI-Männer das Flugzeug stürmen und mich verschleppen würden. Nach etwa einer Dreiviertelstunde fingen die Motoren plötzlich wieder an zu dröhnen, und der Pilot beendete die Funkstille mit der Durchsage, dass wir nun endlich die Starterlaubnis erhalten hätten. »Und nochmals vielen Dank für Ihr Verständnis.«
    Wir rollten schwerfällig über die Startbahn, hoben ab und tauchten in die Wolken ein. Ich war so erschöpft, dass ich kurz darauf schon eingeschlafen war. Plötzlich schreckte ich wieder hoch, aber es war nur die Stewardess, die sich über mich beugte und überprüfte, ob ich angeschnallt war. Ich hatte geglaubt, dass ich nur für wenige Sekunden eingenickt war, aber der Druck in den Ohren sagte mir, dass wir schon im Landeanflug auf La Guardia waren. Als wir aufsetzten, schaute ich auf die Uhr: Es war genau 18.06 Uhr. Um zwanzig nach sechs machte ich einen

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