Ghost
verdienten. »Nun ja, immerhin arbeiten Sie für Lang.«
»Ich habe ihn am vergangenen Montag zum ersten Mal getroffen«, sagte ich. »Kann nicht behaupten, dass ich ihn kenne.«
Rycart lachte. »Wer kann das schon? Ich habe fünfzehn Jahre lang mit ihm zusammengearbeitet, und ich kenne ihn ganz sicher nicht. Auch McAra hat ihn nicht gekannt, und der war von Anfang an dabei.«
»Langs Frau sagt mehr oder weniger das Gleiche.«
»Na also, da haben Sie es. Wenn schon ein so scharfsinniger Mensch wie Ruth ihn nicht versteht, und sie ist ja immerhin mit ihm verheiratet, was kann man da von uns anderen erwarten? Der Mann ist ein Mysterium. Danke.« Rycart nahm das Glas Wasser. Er nippte nachdenklich daran und musterte mich gleichzeitig. »Aber anscheinend sind Sie ja gerade dabei, ihn nach und nach aufzudröseln.«
»Ehrlich gesagt, im Moment habe ich das Gefühl, als wäre ich derjenige, der hier aufgedröselt wird.«
»Setzen wir uns«, sagte Rycart und klopfte mir auf die Schulter. »Und dann erzählen Sie mir alles.«
Die Geste erinnerte mich an Lang. Der Charme eines bedeutenden Mannes. Er bewirkte, dass ich mir wie das kleine Fischlein unter lauter Haien vorkam. Ich würde auf der Hut sein müssen. Ich setzte mich vorsichtig in einen der beiden kleinen Sessel. Er war beige wie die Wände. Rycart setzte sich mir gegenüber.
»Also dann«, sagte er. »Wie fangen wir an? Sie wissen, wer ich bin. Wer sind Sie?«
»Ich bin Ghostwriter«, sagte ich. »Nach Mike McAras Tod hat man mich engagiert, um Adam Langs Memoiren zu überarbeiten. Ich verstehe nichts von Politik. Zu dem Job bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kind.«
»Erzählen Sie mir, was Sie alles herausgefunden haben.«
Für diese Tour war sogar ich zu schlau. Ich druckste herum.
»Vielleicht könnten Sie mir vorher erst etwas über McAra erzählen«, sagte ich.
»Wenn Sie möchten«, sagte Rycart und zuckte die Achseln. »Tja, was kann ich da erzählen? Mike war der perfekte Kuli. Wenn Sie da drüben auf Ihren Koffer ein Parteiabzeichen geklebt und ihm gesagt hätten, das sei der Chef der Partei, dann wäre er dem nachgedackelt. Jeder hatte damit gerechnet, dass Lang ihn feuert und einen eigenen Mann installiert, nachdem er der Boss geworden war. Aber Mike war einfach zu nützlich. Er kannte die Partei in- und auswendig. Was wollen Sie noch wissen?«
»Wie war er als Mensch?«
»Wie er als Mensch war ?« Rycart schaute mich an, als wäre das die schrägste Frage, die er je gehört hatte. »Tja, er hatte kein Leben neben der Partei, wenn es das ist, was Sie meinen. Man könnte sagen, Lang war alles für ihn – Frau, Kinder, Freunde. Was sonst noch? Er war ein Besessener, ein Mann für die Details. Fast alles, was Adam nicht war, war Mike. Vielleicht war er deshalb immer an Bord, auf dem Weg in die Downing Street und auch beim Abgang. Da hatten alle anderen schon ihren Hut genommen und machten woanders Kasse. Aber unserem Mike ging’s nicht um tolle Jobs in der Industrie. Er war Adam sehr ergeben.«
»So ergeben nun auch wieder nicht«, warf ich ein. »Immerhin hat er Verbindung mit Ihnen aufgenommen.«
»Na ja, ganz am Ende hatte er doch wohl das Recht dazu. Sie sprachen von einer Fotografie, kann ich die mal sehen?«
Als ich den Umschlag hervorzog, schaute er ihn genauso gierig an wie Emmett, aber als er das Foto dann sah, konnte er seine Enttäuschung nicht verbergen.
»Das ist alles?«, sagte er. »Ein Haufen privilegierter Kindsköpfe bei einer Tanzrevue?«
»Ein bisschen mehr ist schon dran«, sagte ich. »Zum Ersten, warum steht auf der Rückseite Ihre Telefonnummer?«
Rycart warf mir einen verschlagenen Blick zu. »Warum soll ich Ihnen eigentlich helfen?«
»Warum sollte ich eigentlich Ihnen helfen?«
Wir schauten uns an. Schließlich fing er an zu grinsen und zeigte mir seine glänzend weißen Zähne.
»Sie hätten Politiker werden sollen«, sagte er.
»Ich lerne von den Besten.«
Er nahm das Kompliment mit einem leichten Nicken seines glänzenden Haarschopfs entgegen. Ich erkannte, dass Eitelkeit seine Schwäche war. Ich konnte mir vorstellen, wie geschickt Lang ihn umschmeichelt hatte und was für ein Schlag es für ihn gewesen sein musste, als er ihn fallen ließ. Ich schaute in sein schlankes Gesicht mit der Hakennase und den stechenden Augen und wusste, dass er so versessen auf Rache sann wie ein abservierter Liebhaber. Er stand auf, ging zur Tür und öffnete sie. Er sah sich nach beiden Seiten im Gang um. Dann kam
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