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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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mit leuchtend gelben Schildchen an den Revers und sahen beflissen, zielstrebig und motiviert aus, frisch befeuert, um den Unternehmensvorgaben wie ihren persönlichen Zielen gerecht zu werden. An ihren Schildchen sah ich, dass sie einer Kirche angehörten. Über uns, in dreißig Metern Höhe, hingen große Glaskugeln von der Decke, deren schimmerndes Licht sich in den Wänden aus Chrom spiegelte. Inzwischen hatte ich nicht mehr nur Orientierungsschwierigkeiten, ich sah schon gar kein Land mehr.
    »Ich glaube, für mich ist ein Zimmer bestellt«, sagte ich zu dem Angestellten an der Rezeption. »Auf den Namen Dixon.«
    Das war kein Alias, das ich mir selbst ausgesucht hätte. Ich selbst sehe mich nicht als Dixon, was immer ein Dixon auch sein mag. Den Angestellten ließ meine Verlegenheit kalt. Ich stand in seinem Computer, meine Kreditkarte war gedeckt, mehr interessierte ihn nicht. Das Zimmer kostete 275 Dollar. Ich füllte das Anmeldeformular aus und gab als Adresse die Straße von Ricks Club in London mit der Hausnummer von Kates kleinem Reihenhaus in Shepherd’s Bush an. Als ich sagte, dass ich bar zahle, nahm er die Scheine mit Zeigefinger und Daumen so entgegen, als wäre er noch nie mit etwas derart Seltsamem in Berührung gekommen. Bar? Wenn ich ein Muli an seine Rezeption gebunden und ihm angeboten hätte, mit Tierfellen zu zahlen und mit Holzstöckchen, die ich den Winter über geschnitzt hatte, wäre er nicht weniger überrascht gewesen.
    Ich lehnte die angebotene Hilfe, mein Gepäck tragen zu lassen, ab, nahm den Lift in den sechsten Stock, ging zu meinem Zimmer und schob die elektronische Schlüsselkarte in den Schlitz. Das Zimmer war in Beige gehalten, wurde von Tischlampen in weiches Licht getaucht und bot einen Blick über den Grand Central Parkway auf La Guardia und den undurchdringlich schwarzen East River. Im Fernseher lief der Song »I'll Take Manhattan«, und auf dem Bildschirm begrüßte mich der Satz: »Willkommen in New York, Mr Nixon.« Ich schaltete den Apparat aus und öffnete die Minibar. Ich suchte erst gar nicht nach einem Glas, sondern schraubte gleich die Kappe ab und trank direkt aus dem Fläschchen.
    Schätzungsweise zwanzig Minuten und ein zweites Whiskyfläschchen später begann mein neues Telefon plötzlich blau zu glühen und gab ein leicht bedrohliches elektronisches Schnurren von sich. Ich verließ meinen Ausguck am Fenster und ging ran.
    »Ich bin’s«, sagte Rycart. »Haben Sie es sich gemütlich gemacht?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Sind Sie allein?«
    »Ja.«
    »Dann machen Sie auf.«
    Er stand mit dem Handy am Ohr im Gang. Er hatte den Fahrer bei sich, der mich von La Guardia abgeholt hatte.
    »Danke, Frank«, sagte Rycart zu seinem Begleiter. »Ich brauche Sie hier nicht mehr. Setzen Sie sich in die Lobby, und halten Sie dort die Augen auf.«
    Rycart schob das Telefon in seine Manteltasche, während Frank zum Lift zurücktrottete. Rycart war, was meine Mutter als »gut aussehend, und das weiß er auch« beschrieben hätte: ein ausgeprägtes Adlerprofil; eng stechende, strahlend blaue Augen, die von einem braunen, leicht orange angehauchten Teint noch hervorgehoben wurden; und dann die wallende, nach hinten gekämmte Haarmähne, die die Karikaturisten so liebten. Er sah wesentlich jünger als sechzig aus. Er nickte zu der leeren Flasche hin. »Harten Tag gehabt?«
    »Kann man sagen.«
    Ohne darauf zu warten, hereingebeten zu werden, betrat er das Zimmer und ging als Erstes zum Fenster, wo er die Vorhänge zuzog. Ich schloss die Tür.
    »Ich muss mich für den Treffpunkt entschuldigen«, sagte er. »Aber in Manhattan ist die Gefahr zu groß, dass man mich erkennt. Besonders nach den Ereignissen gestern. Hat Frank sich gut um Sie gekümmert?«
    »Bin selten herzlicher empfangen worden.«
    »Ich weiß, was Sie meinen, aber er ist sehr nützlich. Exbulle aus New York. Mein Mann für Logistik und Sicherheit. Wie Sie sich vorstellen können, bin ich im Augenblick nicht gerade Everybody’s Darling.«
    »Was kann ich Ihnen zu trinken anbieten?«
    »Wasser, bitte.«
    Während ich das Glas Wasser einschenkte, überprüfte er das Zimmer, das Bad, sogar den Schrank.
    »Was soll das?«, fragte ich. »Glauben Sie, dass das eine Falle ist.«
    »Der Gedanke ist mir gekommen, ja.« Er knöpfte den Mantel auf, zog ihn aus und legte ihn behutsam aufs Bett. Sein Armani-Anzug kostete schätzungsweise das Doppelte dessen, was die Bewohner eines kleinen afrikanischen Dorfes im ganzen Jahr

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