Ghost
erinnern, der sich an den am weitesten vom Fenster entfernten Tisch gesetzt und ein lächerlich hohes Trinkgeld zurückgelassen hatte. Was mir das allerdings hätte nutzen sollen, weiß ich auch nicht, aber ich hielt dies damals für eine kluge Idee. Ich schaute demonstrativ geradeaus, als ich an dem Kurzhaarpärchen vorbeiging.
Als ich im grauen kalten Licht draußen auf dem Bürgersteig stand und das Starbucks mit der grünen Markise ein paar Türen weiter, den langsam vorbeigleitenden Verkehr (»Baby an Bord: Bitte nehmen Sie Rücksicht!«) und die älteren Fußgänger mit den Pelzkappen und Handschuhen sah, da hätte ich mir eine Sekunde lang vorstellen können, dass ich in der vergangenen Stunde vielleicht irgendein selbst gestricktes virtuelles Reality Game gespielt hatte. Doch dann ging die Tür des Cafés auf, und die beiden Männer kamen heraus. Ich marschierte schnell zu meinem Wagen, stieg ein und verriegelte die Türen. Als ich in Rück- und Seitenspiegel schaute, war von meinem Thekenduo nichts mehr zu sehen.
Eine Zeit lang bewegte ich mich nicht. Ich fühlte mich sicherer, wenn ich einfach nur dasaß. Ich fantasierte vor mich hin, dass ich vielleicht, wenn ich mich nur lange genug nicht vom Fleck rührte, durch einen osmotischen Prozess vom friedlichen, wohlhabenden Leben Belmonts aufgesaugt werden könnte. Ich könnte tun, was auch dieses Pensionärsvölkchen hier tat – eine Partie Bridge spielen oder mir die Nachmittagsvorstellung im Kino ansehen oder in die Stadtbücherei gehen, um die Zeitung zu lesen und den Kopf darüber zu schütteln, dass jetzt, da meine Generation aus verhätschelten Grünschnäbeln das Sagen hatte, die ganze Welt zum Teufel ging. Ich beobachtete, wie frisch frisierte Damen aus dem Friseursalon kamen und vorsichtig ihr Haar betasteten. Das Händchen haltende Pärchen aus dem Internetcafé stand vor dem Schaufenster des Juweliers und begutachtete Eheringe.
Und was tat ich? Ich badete mich in Selbstmitleid. Ich war so abgetrennt von dieser Normalität, als säße ich im Inneren einer Glasblase.
Ich zog wieder die Fotos aus dem Umschlag und blätterte sie durch bis zu dem Bild, das Lang und Emmett zusammen auf der Bühne zeigte. Ein zukünftiger Premierminister und ein mutmaßlicher CIA-Agent, in Handschuhen, mit Hüten auf dem Kopf, hopsen in einer komischen Revue herum. Das Ganze kam mir nicht so sehr unwahrscheinlich als vielmehr grotesk vor. Aber den Beweis hielt ich hier in der Hand. Ich drehte das Foto um und betrachtete nachdenklich die hingekritzelte Nummer. Je länger ich sie betrachtete, desto klarer wurde mir, dass ich nur eine einzige Wahl hatte. Es half nichts, ich musste den Spuren McAras weiter folgen.
Ich wartete, bis das junge Liebespaar im Juwelierladen verschwunden war, dann zückte ich mein Handy. Ich scrollte durch das Telefonverzeichnis, bis ich die Nummer gefunden hatte, dann rief ich Richard Rycart an.
VIERZEHN
»Die Hälfte der Arbeit eines Ghostwriters besteht darin, etwas über andere Menschen herauszufinden.«
»GHOSTWRITER«
Diesmal meldete Rycart sich schon nach wenigen Sekunden.
»Na also«, sagte er in seinem honigsüßen, einschmeichelnden Singsang. »Wer immer Sie sind, irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Sie zurückrufen würden. Es gibt nicht viele Leute, die diese Nummer kennen.« Er wartete darauf, dass ich antwortete. Im Hintergrund konnte ich eine männliche Stimme vernehmen. Es hörte sich an, als hielte jemand eine Rede. »Nun? Legen Sie diesmal nicht wieder auf?«
»Nein«, sagte ich.
Er wartete wieder, aber ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte. Ich dachte an Lang. Ich verstieß gegen jede Regel des Ghostwriter-Gewerbes. Ich brach das Geheimhaltungsabkommen mit Rhinehart Inc. Ich beging beruflichen Selbstmord.
»Ich habe mehrmals versucht, Sie zurückzurufen«, fuhr er fort. Die Andeutung eines Tadels lag in seiner Stimme.
Das junge Liebespaar hatte den Juwelierladen auf der anderen Straßenseite verlassen und schlenderte auf mich zu.
»Ich weiß«, sagte ich schließlich. »Tut mir leid. Ich bin zufällig auf die Nummer gestoßen, jemand hat sie irgendwohin gekritzelt. Ich wusste nicht, dass es Ihre ist. Ich hab die Nummer ins Blaue hinein gewählt. Es erschien mir nicht korrekt, mit Ihnen zu reden.«
»Warum?«
Das Pärchen ging an mir vorbei. Ich schaute im Rückspiegel hinter ihnen her. In der Gesäßtasche des einen steckte die Hand des anderen. Wie Taschendiebe beim Blind Date.
Ich tat den
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