Ghost
abgeschworen.
Der Steward sah meinen Blick und kam durch den Gang auf mich zu.
»Darf ich Ihnen auch etwas bringen, Sir?«
»Gern. Ich nehme das Gleiche wie Mr Lang.«
Ich hatte falsch gelegen: Es war Brandy.
Als die Tür geschlossen wurde, waren zwölf Personen an Bord: drei Crewmitglieder (der Pilot, der Kopilot und der Steward) sowie neun Passagiere – die beiden Sekretärinnen, vier Leibwächter, Amelia, Adam Lang und ich. Ich saß mit dem Rücken zum Cockpit, sodass ich meinen Auftraggeber im Auge behalten konnte. Ihm direkt gegenüber saß Amelia. Als die Motoren aufheulten, musste ich mich zusammenreißen, um nicht zur Tür zu stürzen und sie mit Gewalt wieder zu öffnen. Vom ersten Augenblick an hatte ich das Gefühl, dass dieser Flug dem Untergang geweiht war. Die Gulfstream vibrierte leicht, und das Flughafengebäude schien sich langsam an uns vorbeizubewegen. Ich konnte sehen, wie Amelia mit einer Hand energisch in der Luft herumfuchtelte, als wollte sie Lang etwas erklären. Der aber starrte weiter regungslos hinaus aufs Flugfeld.
Jemand berührte mich am Arm. »Haben Sie eine Ahnung, wie viel eins von diesen Dingern hier kostet?«
Es war der Bodyguard, der auf der Fahrt zum Flugplatz in unserem Wagen gesessen hatte. Er saß auf der anderen Seite des Gangs.
»Keinen Schimmer.«
»Raten Sie.«
»Ich habe wirklich nicht die geringste Ahnung.«
»Na los, schätzen Sie.«
Ich zuckte die Achseln.
»Zehn Millionen Dollar?«
» Vierzig Millionen Dollar.« Er schaute mich triumphierend an – als bedeutete das Wissen um den Preis, dass er irgendetwas mit der Eigentümerschaft des Flugzeugs zu tun habe. »Hallington hat fünf davon.«
»Ich frag mich, was die mit fünf von den Dingern anfangen.«
»Sie vermieten sie, wenn sie sie nicht selbst brauchen.«
»Ah, richtig«, sagte ich. »Hab davon gehört.«
Der Motorenlärm wurde lauter, und wir setzten uns in Bewegung. Ich stellte mir die Terrorverdächtigen vor, wie sie – in Handschellen, mit Kapuze über dem Kopf, festgeschnallt in ihren luxuriösen Ledersesseln – von der staubroten Piste eines Militärflugplatzes irgendwo an der afghanischen Grenze abhoben, um in die Kiefernwälder im Osten Polens geflogen zu werden. Das Flugzeug schien mit einem Satz in die Luft zu springen. Ich beobachtete über den Rand meines Glases, wie sich die Lichter Manhattans ausbreiteten, bis sie mein Fenster ganz ausfüllten, dann langsam zur Seite kippten, um schließlich, als wir in die tiefen Wolken eintauchten, flackernd in der Dunkelheit zu verschwinden. Ich hatte das Gefühl, als stiegen wir in unserem verwundbaren Metallzylinder lange Zeit wie blind auf, doch dann zerriss der Schleier, und wir tauchten in eine strahlende Nacht ein. Die Wolken waren so massiv und fest wie die Alpen, und gelegentlich war hinter den Gipfeln der Mond zu sehen, und er beleuchtete Täler, Gletscher und Schluchten.
Wir flogen schon eine Zeit lang in der Horizontalen, als Amelia aufstand und durch den Gang auf mich zuging. Wegen der leicht schwankenden Kabine war ihr Hüftschwung unfreiwillig verführerisch.
»Also dann«, sagte sie. »Sie können jetzt auf ein Wort zu ihm nach hinten. Aber regen Sie ihn nicht auf, okay? Er hat ein paar höllisch anstrengende Tage hinter sich.«
Er und ich, wir beide, dachte ich.
»Alles klar«, sagte ich.
Ich nahm meine Schultertasche, die neben dem Sessel auf dem Boden stand, und wollte mich gerade an ihr vorbeischieben, da hielt sie mich am Arm fest.
»Aber Sie haben nicht viel Zeit«, sagte sie. »Der Flug ist nur ein Katzensprung. Wir gehen jede Minute wieder runter.«
*
Es war tatsächlich nur ein Hüpfer. Ich habe das später nachgeprüft. Zweihundertsechzig Meilen liegen zwischen New York und Martha’s Vineyard, und die Reisegeschwindigkeit einer Gulfstream G450 beträgt fünfhundertachtundvierzig Meilen pro Stunde. Diese beiden Fakten erklären, warum die Aufzeichnung meiner Unterhaltung mit Lang nur elf Minuten dauert. Wahrscheinlich verloren wir schon wieder an Höhe, als ich noch auf dem Weg zu ihm war.
Seine Augen waren geschlossen, die ausgestreckte Hand auf der Armlehne hielt das Glas. Er hatte Jackett und Krawatte abgelegt, hatte die Schuhe von den Füßen gestreift und lag ausgebreitet wie ein Seestern da, als hätte ihn jemand in den Sessel hineingestoßen. Erst dachte ich, er sei eingeschlafen, doch dann merkte ich, dass er mich durch die schmalen Schlitze seiner zusammengekniffenen Augen aufmerksam
Weitere Kostenlose Bücher