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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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gerade im Computer nachschauen, als von der Park Avenue eine laute Explosion zu hören war. Einige Gäste, die gerade eincheckten, duckten sich, richteten sich aber betreten wieder auf, als sie merkten, dass die einsame Explosion in eine Kanonade startender Motorräder überging. Aus dem Bauch des Hotels tauchte eine keilförmig vorrückende Gruppe von Sicherheitsleuten, Special-Branch-Beamten und Geheimagenten auf, die in typisch breitschultriger Manier durch die riesengroße goldene Lobby marschierte. In ihrer Mitte ging Lang, hinter ihm erkannte ich Amelia und die beiden Sekretärinnen. Amelia hielt sich ein Handy ans Ohr. Ich ging auf die Gruppe zu. Den Blick starr geradeaus gerichtet, was gar nicht zu ihm passte, rauschte Lang an mir vorbei. Normalerweise suchte er den Blickkontakt zu den Menschen, an denen er vorüberging, und bedachte sie mit einem Lächeln, das sie nie mehr vergaßen. Als er die ersten Treppenstufen hinabstieg, sah Amelia mich. Sie kam mir ungewöhnlich nervös vor, sogar einige Strähnen ihres blonden Haarschopfs befanden sich an Stellen, wo sie nicht hingehörten.
    »Gerade habe ich versucht, Sie anzurufen«, sagte sie, während sie an mir vorüberging, ohne ihre Schritte zu verlangsamen. »Änderung des Terminplans«, rief sie mir über die Schulter zu. »Wir fliegen nach Martha’s Vineyard zurück. Jetzt sofort.«
    »Sofort?« Ich hastete ihr hinterher. »So spät noch?«
    Ich holte sie ein, und wir stiegen nebeneinander die Treppe hinunter.
    »Adam besteht darauf. Hab’s gerade noch geschafft, ein Flugzeug zu besorgen.«
    »Aber warum?«
    »Keine Ahnung. Irgendwas ist passiert. Da müssen Sie ihn selbst fragen.«
    Lang war ein paar Stufen unter uns und hatte das imposante Eingangsportal schon fast erreicht. Die Bodyguards öffneten die Türen, und plötzlich wurden seine breiten Schultern von gleißendem Halogenlicht umrahmt. Das Brüllen der Reporter, das Trommelfeuer der klickenden Kameras, das Grollen der Harley-Davidsons – es war, als hätte jemand das Tor zur Hölle geöffnet.
    »Und? Was soll ich jetzt machen?«, fragte ich.
    »Steigen Sie in den zweiten Wagen. Ich nehme an, dass Adam im Flugzeug mit Ihnen sprechen will.« Ihr musste mein erschrockener Blick aufgefallen sein. »Was schauen Sie mich so komisch an? Ist irgendwas?«
    Gute Frage. Was sollte ich jetzt machen? Ohnmächtig werden? Irgendeine Verabredung vorschützen? Ich saß in der Falle, wie eingekeilt auf einem Rollsteig, ohne jede Fluchtmöglichkeit.
    »Das kommt alles so schnell«, sagte ich matt.
    »Das ist doch gar nichts. Sie hätten mal dabei sein sollen, als er noch Premierminister war.«
    Wir tauchten in den Tumult aus Lärm und Licht ein. Es war, als konzentrierte sich die Hitze des gesamten Streits, den der Krieg gegen den Terror über die Jahre hervorgebracht hatte, für einen kurzen Moment in einem einzigen Mann und ließ diesen weiß glühend aufleuchten. Die Tür zu Langs Stretchlimousine stand offen. Er blieb kurz stehen, winkte den Menschen hinter der Absperrung zu und duckte sich dann in den Wagen. Amelia nahm meinen Arm und schob mich zum zweiten Wagen. »Na los, Beeilung!«, rief sie. Die Motorräder fuhren schon los. »Steigen Sie ein, wenn wir erst mal losgefahren sind, können wir nicht mehr anhalten.«
    Sie schlüpfte neben Lang in den vorderen Wagen, und ich stieg in die hintere Limousine zu den beiden aufgekratzten Sekretärinnen, die rüberrutschten, um mir Platz zu machen. Ein Mann von der Special Branch setzte sich vorn neben den Fahrer, und in der nächsten Sekunde waren wir schon unterwegs, begleitet vom Hupen eines Motorrads, das sich wie das fröhliche Tuten eines kleinen Schleppers anhörte, der einen Ozeanriesen hinaus auf See eskortierte.
     
     
    *
     
    Unter anderen Umständen hätte ich die Fahrt mit ausgestreckten Beinen genossen: die Harley-Davidsons, die an uns vorbeiglitten, um uns durch den Verkehr zu schleusen; die blassen Gesichter der uns hinterherschauenden Fußgänger jenseits der getönten Scheiben; das Heulen der Sirenen; die blinkenden Blaulichter; die Geschwindigkeit; die Macht. Ich kenne nur zwei Sorten Menschen, die derart pompös und theatralisch chauffiert werden: die führenden Politiker dieser Welt und gefangene Terroristen.
    Verstohlen tastete ich in der Jackentasche nach meinem neuen Handy. Sollte ich Rycart warnen, was hier vor sich ging? Ich entschied mich dagegen. Vor Zeugen wollte ich ihn nicht anrufen. Angesichts meiner offensichtlichen Schuld wäre

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