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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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mir das höchst unangenehm gewesen. Kein Verrat ohne Verschwiegenheit. Ich ergab mich dem Lauf der Dinge.
    Wir flogen wie Götter über die Queensboro Bridge. Alice und Lucy kicherten vor Aufregung. Ein paar Minuten später erreichten wir La Guardia, ließen das Terminalgebäude links liegen und fuhren stattdessen durch ein offenes Stahltor direkt auf das Rollfeld zu einem großen Privatjet, der gerade aufgetankt wurde. Es war ein in der Firmenfarbe Dunkelblau lackiertes Hallington-Flugzeug. Auf der hohen Schwanzflosse prangte das Konzernlogo: die Erde, umgürtet von einem Kreis, der wie der aus der Colgate-Werbung aussah: der »Ring des Vertrauens«. Langs Limousine kam schlingernd zum Stehen. Er stieg als Erster aus, ging mit schnellen Schritten und eingezogenem Kopf durch den mobilen Bodyscanner und dann die wenigen Stufen hinauf in die Gulfstream, ohne sich noch einmal umzuschauen. Ein Bodyguard hechelte hinter ihm her.
    Als ich schwerfällig aus dem Wagen kletterte, war ich ganz steif vor Angst. Es kostete mich bereits Anstrengung, nur die paar Schritte bis zu der kurzen Treppe zu gehen, wo Amelia auf mich wartete. Die Abendluft vibrierte vom Lärm der landenden Jets. Fünf oder sechs konnte ich über dem Wasser sehen, eine Treppe aus Licht in der Dunkelheit.
    »So pflegen Sie also zu reisen«, sagte ich und versuchte einen entspannten Ton anzuschlagen. »Läuft das immer so?«
    »Sie wollen ihm halt zeigen, wie sehr sie ihn lieben«, sagte Amelia. »Und zweifellos ist das ganz nützlich, um allen anderen zu zeigen, wie sie mit ihren Freunden umgehen. Pour encourager les autres.«
    Sicherheitsleute kontrollierten mit Metallstäben das Gepäck Ich legte meinen Koffer auf den Stapel.
    »Er sagt, er muss zurück zu Ruth«, fuhr sie fort und schaute am Rumpf hoch. Die Fenster waren größer als bei einem normalen Flugzeug. An einem der hinteren war deutlich Langs Profil zu sehen. »Er müsse unbedingt irgendwas mit ihr besprechen.« Sie klang verwirrt. Fast sprach sie zu sich selbst, so als wäre ich gar nicht da. Ich fragte mich, ob sie sich auf der Fahrt gestritten hatten.
    Einer der Sicherheitsleute bat mich, meinen Koffer zu öffnen. Ich zog den Reißverschluss auf und hielt ihm den Koffer hin. Er nahm das Manuskript heraus und tastete den Boden ab. Amelia war so in Gedanken versunken, dass sie nichts davon mitbekam.
    »Das ist alles sehr merkwürdig«, sagte sie. »In Washington lief nämlich alles bestens.« Sie starrte mit leerem Blick zu den Signallichtern der Startbahn.
    »Ihre Schultertasche«, sagte der Sicherheitsmann.
    Ich gab sie ihm. Als er den Umschlag mit den Fotos herausnahm, dachte ich einen Augenblick lang, dass er ihn öffnen würde, aber er war mehr an dem Laptop interessiert. Ich hatte das Bedürfnis weiterzureden.
    »Vielleicht gibt’s was Neues aus Den Haag«, sagte ich ins Blaue.
    »Nein. Damit hat es bestimmt nicht zu tun, das hätte er mir gesagt.«
    »Okay«, sagte der Sicherheitsmann. »Sie können an Bord gehen.«
    »Halten Sie sich erst mal von ihm fern«, riet mir Amelia mit warnender Stimme, während nun sie durch den Bodyscanner ging. »Ist besser so bei der Stimmung, in der er sich gerade befindet. Wenn er Sie sprechen will, sag ich Ihnen Bescheid.«
    Ich stieg die Stufen hinauf.
    Lang saß ganz hinten. Er hatte das Kinn in die Hand gestützt und schaute aus dem Fenster. (Später fand ich heraus, dass es die Sicherheitsleute am liebsten sahen, wenn er sich in die letzte Reihe setzte: Dann konnte niemand in seinen Rücken gelangen.) Die Kabine war für zehn Passagiere konzipiert. Je zwei saßen auf zwei Sofas, die entlang der Rumpfwand standen, die restlichen sechs in großen Armsesseln. Die Ausstattung erinnerte mich an die Lobby im Waldorf-Astoria: goldene Beschläge, poliertes Walnussholz und cremefarbene Lederpolster. Lang hatte in einem der Armsessel Platz genommen, der Special-Branch-Mann saß auf dem Sofa daneben. Ein Steward in weißer Jacke beugte sich über den früheren Premierminister. Ich konnte zwar nicht sehen, was für einen Drink er ihm servierte, aber ich hörte es. Das Zwitschern eines Nachtigallpärchens an einem Sommerabend oder das Glockengeläut einer Dorfkirche mögen viele Menschen vielleicht bevorzugen, mein Lieblingsgeräusch jedoch ist der Klang von klimpernden Eiswürfeln in einem geschliffenen Glas. Auf dem Gebiet bin ich Connaisseur. Und es hörte sich entschieden danach an, als hätte Lang dem Eistee zugunsten eines kräftigen Schlucks Whisky

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