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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Er schaute geradeaus und nickte leicht.
    »Oder hier in Amerika dreht sich eines Tages das politische Klima«, fuhr er fort, »und es kommt eine öffentliche Kampagne mit dem Ziel, ihn der Justiz auszuliefern, ins Rollen. Ich frage mich, ob er da mal dran gedacht hat. Sein Leben wird die Hölle sein.«
    »Sie schaffen’s noch, dass er mir leidtut.«
    Rycart schaute mich scharf an. »Er hat Sie mit seinem Charme eingewickelt, stimmt’s? Charme! Die englische Krankheit.«
    »Es gibt schlimmere Gebrechen.«
    Wir fuhren über die Triborough Bridge. Die Reifen rumpelten in hoher Frequenz über die Nahtstellen in der Fahrbahn.
    »Ich komme mir vor wie auf einem Pferdekarren«, sagte ich.
    Es dauerte noch eine Zeit lang, bis wir Downtown erreichten. Jedes Mal, wenn wir im dichten Verkehr der Park Avenue anhalten mussten, kam mir der Gedanke, einfach die Tiir aufzumachen und abzuhauen. Das Problem war, dass ich mir zwar den ersten Teil – mich durch die stehenden Wagen hindurchzuschlängeln und in einer der Seitenstraßen zu verschwinden – noch gut vorstellen konnte. Aber was dann? Wo sollte ich hin? Wie sollte ich ein Hotelzimmer bezahlen, wo doch meine Kreditkartendaten ebenso wie die der mutmaßlich gefälschten, die ich vorhin benutzt hatte, meinen Verfolgern bekannt waren? Aus welchem Blickwinkel ich meine missliche Lage auch betrachtete, widerwillig kam ich zu der Schlussfolgerung, dass ich bei Rycart sicherer war. Wenigstens wusste er, wie man in dieser fremdartigen Welt, in die ich hineingestolpert war, überlebte.
    »Wenn Sie sich solche Sorgen machen, können wir ja ein Kontrollsignal vereinbaren«, sagte Rycart. »Sie rufen mich mit dem Handy, das Frank Ihnen gegeben hat, sagen wir, zehn Minuten nach jeder vollen Stunde an. Wir brauchen gar nicht miteinander zu sprechen, lassen Sie es einfach nur ein paarmal klingeln.«
    »Was passiert, wenn ich nicht anrufe?«
    »Beim ersten Mal gar nichts. Wenn Sie sich beim nächsten Mal wieder nicht melden, dann rufe ich Lang an und sage ihm, dass ich ihn persönlich für Ihre Sicherheit verantwortlich mache.«
    »Wie kommt’s bloß, dass mich das nicht sonderlich beruhigt?«
    Wir waren jetzt fast da. Vor uns auf der anderen Straßenseite sah ich das große, von Scheinwerfern angestrahlte Sternenbanner und den Union Jack, die den Eingang zum Waldorf-Astoria flankierten. Der Bereich vor dem Hotel war mit Betonblöcken abgesperrt. Ich sah außerdem ein halbes Dutzend wartende Motorradpolizisten, vier Streifenwagen, zwei große schwarze Limousinen, eine kleine Gruppe Kameraleute und eine etwas größere Gruppe Gaffer. Der Anblick trieb meinen Puls in die Höhe. Ich atmete tief durch.
    Rycart drückte mir den Arm.
    »Nur Mut, mein Freund. Er hat bereits einen Ghost unter verdächtigen Umständen verloren. Er kann es sich kaum leisten, noch einen zu verlieren.«
    »Dieser ganze Auftrieb hier, das kann doch nicht ernsthaft alles für ihn sein?«, sagte ich erstaunt. »Jeder, der das sieht, denkt doch, dass er immer noch Premierminister ist«
    »Sieht ganz so aus, als hätte ich seinem Promistatus noch einen Schub gegeben«, sagte Rycart. »Ihr solltet mir dankbar sein. Also dann, viel Glück. Wir reden dann später. Halt da drüben an, Frank.«
    Er schlug den Mantelkragen hoch und rutschte tiefer in den Sitz. Eine Vorsichtsmaßnahme, die so mitleiderregend wie absurd war. Armer Rycart: Ich bezweifele, dass auch nur einer von zehntausend New Yorkern wusste, wer er war. Frank hielt kurz an der Ecke Park Avenue/East 50th Street an, ließ mich aussteigen und fädelte sich dann so schnell und geschickt wieder in den Verkehr ein, dass das Letzte, was ich jemals von Rycart sah, sein silbergrauer Hinterkopf war, den ich in der New Yorker Nacht schnell aus dem Blick verlor.
    Jetzt war ich auf mich allein gestellt.
    Ich überquerte die breite, von gelben Taxis wimmelnde Straße und schlängelte mich an den Zuschauern und Polizisten vorbei, von denen mich keiner aufhielt: Wahrscheinlich sahen sie in mir mit meinem Koffer einfach nur einen Gast, der einchecken wollte. Ich ging durch die Artdeco-Türen und dann über die große Marmortreppe hinauf in die babylonische Pracht der Lobby des Waldorf-Astoria. Normalerweise hätte ich jetzt mit meinem Handy Kontakt zu Amelia aufgenommen, aber inzwischen hatte sogar ich dazugelernt. Ich ging zur Rezeption und bat einen der Empfangsherren, in ihrem Zimmer anzurufen.
    Es hob niemand ab.
    Der Portier runzelte die Stirn und legte auf. Er wollte

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