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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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groben Holzplanken verkleideten Wänden hingen alte Schlagnetze und Hummerfallen neben Buddelschiffen und sepia-farbenen Fotografien von Hochseefischern, die stolz neben ihrer toten, an Haken hängenden Beute posierten: Die Fischer waren inzwischen genauso tot wie die Fische, dachte ich, ein befriedigender Gedanke angesichts der Stimmung, in der ich mich befand. In dem großen Fernseher, der über der Theke hing, lief ein Eishockeyspiel. Ich bestellte ein Bier und einen Teller Muschelsuppe und setzte mich an einen Tisch, von wo aus ich den Bildschirm im Blick hatte. Ich verstehe zwar nichts von Eishockey, aber bei Sport kann ich immer wunderbar eine Zeit lang alles um mich herum vergessen. Ich schaue mir dann an, was gerade läuft.
    »Sind Sie Engländer?«, fragte ein Mann, der an einem Tisch in der Ecke saß. Er musste gehört haben, wie ich bestellt hatte. Er war der einzige andere Gast.
    »Genau wie Sie«, sagte ich.
    »Stimmt. Auf Urlaub hier?«
    Er hatte eine forsche »Na alter Junge wie wär’s mit ‘ner Runde Golf« Stimme. Das und das gestreifte Hemd mit dem einfarbigen Kragen, der zweireihige Blazer mit den Messingknöpfen und dem blauen Seidentaschentuch in der Brusttasche sandten ein Signal aus, so klar wie das Blinken des Leuchtturms von Edgartown: Nervensäge, Nervensäge, Nervensäge.
    »Nein, beruflich.« Ich schaute wieder dem Spiel zu.
    »Welche Branche?« Er trank etwas Klares mit Eis und Zitronenscheibe. Wodka and Tonic? Gin and Tonic? Das Letzte, was ich wollte, war, mich in ein Gespräch verwickeln zu lassen.
    »Mal dies, mal das. Entschuldigen Sie mich bitte.«
    Ich stand auf, ging zur Toilette und wusch mir die Hände. Das Gesicht im Spiegel war das eines Mannes, der von den letzten vierzig Stunden sechs geschlafen hatte. Als ich in den Gastraum zurückkam, stand mein Essen auf dem Tisch. Ich bestellte noch ein Bier, verzichtete aber demonstrativ darauf, den anderen Gast auf einen Drink einzuladen. Ich spürte, dass er mich beobachtete.
    »Hab gehört, Adam Lang ist auf der Insel«, sagte er.
    Jetzt schaute ich ihn mir genau an. Er war etwa Mitte fünfzig, schlank, aber mit breiten Schultern. Kräftig. Das eisengraue Haar trug er glatt nach hinten gekämmt. Er hatte etwas undefinierbar Militärisches an sich. Ich sagte mit neutraler Stimme: »Ach ja?«
    »Hab ich zumindest gehört. Sie wissen nicht zufällig, wo er hier wohnt?«
    »Leider nicht. Würden Sie mich jetzt bitte entschuldigen.«
    Ich fing an, meine Suppe zu essen. Ich hörte ihn geräuschvoll durchatmen, dann das Klingeln von Eis, als er sein Glas abstellte.
    »Wichser«, sagte er, als er an meinem Tisch vorbeiging.

SECHS
    »Meine Kunden haben mir am Ende der Interviews oft erzählt, dass sie sich fühlten, als hätten sie gerade eine Therapie durchgemacht.«
    »GHOSTWRITER«
     
     
    Als ich am nächsten Morgen zum Frühstück herunterkam, war der Mann von gestern nirgendwo zu sehen. Die Empfangsdame sagte, dass ich der einzige Hotelgast sei. Sie war sich ebenso sicher, dass sie keinen Engländer mit Blazer gesehen habe. Ich war schon seit vier wach – eine Verbesserung gegenüber zwei Uhr, aber nur eine kleine – und hinreichend angeschlagen und verkatert, dass ich mich fragte, ob ich mir die Begegnung nicht eingebildet hatte. Nach einem Kaffee fühlte ich mich besser. Ich überquerte die Straße und umrundete ein paarmal den Leuchtturm, um meinen Kopf auszulüften. Als ich zum Hotel zurückkehrte, wartete schon der Minivan, um mich zu meinem Arbeitsplatz zu fahren.
    Ich hatte damit gerechnet, dass am ersten Arbeitstag mein größtes Problem darin bestehen würde, Adam Lang in einen Raum zu verfrachten und dort so lange festzunageln, dass ich mit meiner Befragung beginnen konnte. Als wir jedoch das Haus erreichten, war es seltsamerweise er, der schon auf mich wartete. Als Interviewraum hatte Amelia für uns Rhineharts Arbeitszimmer ausgesucht. Als wir es betraten, lümmelte der frühere Premierminister in dem großen Sessel, der gegenüber dem Schreibtisch stand. Er trug einen grünen Trainingsanzug, ein Bein hing über die Armlehne. Er blätterte in einem Buch über die Geschichte des Zweiten Weltkriegs, das er anscheinend gerade aus dem Regal genommen hatte. Neben dem Sessel stand eine Tasse Tee auf dem Boden. An den Sohlen seiner Laufschuhe klebte Sand: Ich nahm an, dass er am Strand einen Morgenlauf absolviert hatte.
    »Hallo, Mann«, begrüßte er mich und schaute zu mir hoch. »Startklar?«
    »Guten Morgen«, sagte

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