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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Enthüllungsbuch über sie und ihren Mann schreiben zu wollen. Dann wieder konnte sie auf bizarre Weise übertrieben vertraulich sein – als sie meine Hand genommen hatte oder gerade eben, als sie mir praktisch meine Garderobe aufgezwungen hatte. Es schien, als fehlte in ihrem Gehirn ein winziger Mechanismus – nämlich der, wie man anderen Menschen gegenüber ein natürliches Verhalten an den Tag legte.
    Ich schlang mir das Badetuch enger um die Taille und setzte mich an den Schreibtisch. Beim Lesen von McAras Manuskript war mir aufgefallen, wie selten sie in der Autobiografie ihres Mannes erwähnt wurde. Das war einer der Gründe, warum ich den Hauptteil des Buches mit der Geschichte beginnen lassen wollte, wie sie sich kennenlernten – bis ich entdeckte, dass Lang sie erfunden hatte. Natürlich wurde sie in der Widmung erwähnt:
     
    Für Ruth
    und meine Kinder.
    Und für das britische Volk.
     
    Aber dann musste man fünfzig Seiten warten, bis sie als Person in Erscheinung trat. Ich blätterte durch das Manuskript, bis ich die Passage fand.
     
    Es war die Zeit der Kommunalwahlen in London, als ich Ruth Capel kennenlernte, eines der tatkräftigsten Mitglieder der Ortsgruppe. Ich würde ja gern behaupten, dass es ihr politisches Engagement war, das mich zu ihr hinzog, aber die Wahrheit ist, dass ich sie einfach unglaublich attraktiv fand. Sie war klein, energisch, hatte sehr kurzes dunkles Haar und stechende dunkle Augen. Sie stammte aus North London, war das einzige Kind zweier Universitätsdozenten und, fast seit sie sprechen konnte, leidenschaftlich an Politik interessiert – im Gegensatz zu mir! Sie war auch, worauf hinzuweisen meine Freunde nie müde werden, viel intelligenter als ich! Sie hatte in Oxford mit Bestnote in Philosophie, Politik- und Wirtschaftswissenschaft abgeschlossen und dann als Fulbright-Stipendiatin ein Jahr auf dem Gebiet Postkoloniale Regierungspolitik geforscht. Als ob mich das nicht schon genug eingeschüchtert hätte, hatte sie auch noch bei den Einstellungstests für das Außenministerium als Beste abgeschnitten. Allerdings verließ sie später das Ministerium und arbeitete dann für die Partei im Parlament, im Stab für außenpolitische Fragen.
    Trotzdem – schließlich hat das Familienmotto der Langs immer gelautet: »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt« –konnte ich es arrangieren, dass wir zusammen als Wahlhelfer loszogen. Damals war es noch relativ problemlos, nach einem harten Tag mit Klinkenputzen und Flugblätterverteilen auf einen zwanglosen Schluck in einem Pub vorbeizuschauen. Zunächst begleiteten uns noch andere Mitglieder aus dem Wahlkampfteam, aber allmählich merkten sie, dass Ruth und ich ungestört sein wollten. Ein Jahr nach den Wahlen zogen wir zusammen, und als Ruth schwanger wurde, machte ich ihr einen Heiratsantrag. Die Trauung fand im Juni 1979 im Standesamt Marylebone statt. Mein Trauzeuge war Andy Martin, einer meiner ältesten Freunde aus der Footlights Revue. Für die Flitterwochen verkrochen wir uns im Cottage von Ruths Eltern bei Hay-on-Wye. Zwei glückselige Wochen später kehrten wir nach London zurück, bereit für eine nach Margaret Thatchers Wahlsieg völlig andere Art von politischem Kampf.
     
    Das war der einzige wesentliche Hinweis in McAras Manuskript auf sie.
    Langsam arbeitete ich mich durch die folgenden Kapitel und strich alle Stellen an, wo Ruth erwähnt wurde. Ihre »lebenslange Kenntnis der Partei« war »von unschätzbarem Wert« dafür, dass Lang über einen sicheren Wahlkreis ins Parlament einziehen konnte. Es war Ruth, die die Chancen, die sich auftaten und ihn schließlich bis zum Parteivorsitz führten, »noch vor mir entdeckte«. Sie entpuppte sich als diejenige, die ihm »mit wie immer scharfsinnigen Ratschlägen« dabei half, einen Parteifreund abzuservieren. Bei Parteitagen teilte sie die Hotelsuite mit ihrem Mann. Am Abend, als er Premierminister wurde, zupfte sie ihm die Krawatte gerade. Bei offiziellen Staatsbesuchen ging sie mit den Frauen der anderen Führer der Weltmächte auf Shopping-Tour. Sie brachte sogar seine Kinder zur Welt (»meine Kinder haben immer dafür gesorgt, dass ich nicht abhebe«). Aber in den Memoiren führte sie ein Phantomdasein, das mich vor Rätsel stellte, weil sie in seinem Leben ganz und gar kein Phantomdasein führte. Vielleicht hatte sie deshalb darauf gedrungen, mich anzuheuern: weil sie damit rechnete, dass ich mehr von ihr ins Buch würde einbauen wollen.
    Als ich auf die Uhr schaute,

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