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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Bernstein. Ich sah die Schlagzeile vor mir. Im Geist schrieb ich schon die Geschichte.
     
    Washington (AP) – Wie aus Nachrichtendienstkreisen verlautet, wurde Michael McAra, politischer Berater des ehemaligen britischen Premierministers Adam Lang, Opfer einer verdeckten Operation, die auf tragische Weise aus dem Ruder gelaufen ist.
     
    War das so unwahrscheinlich? Ich schaute wieder zu den beiden Gestalten am Strand. Ich hatte das Gefühl, dass sie jetzt schneller gingen und direkt auf mich zukamen. Ich wischte mir das Regenwasser aus dem Gesicht. Besser, ich ging weiter. Als ich mich das nächste Mal nach ihnen umdrehte, hatten sie wieder etwas aufgeholt. Mit entschlossenen Schritten stapften sie über die weite Sandfläche. Eine Gestalt war klein, die andere groß. Die große war ein Mann, die kleine eine Frau.
    Die kleine war Ruth Lang.
     
     
    *
     
    Ich wunderte mich, dass sie hier auftauchte. Ich blieb stehen, bis ich mir ganz sicher war, dann ging ich ihr entgegen. Der heulende Wind und die donnernden Wellen verschluckten die ersten Worte, die wir uns zuriefen. Sie zog mich am Arm, worauf ich den Kopf nach unten beugte, damit sie mir ins Ohr brüllen konnte. »Dep hat uns gesagt, dass Sie hier sind!«, wiederholte sie, wobei ich ihren Atem fast anstößig heiß auf meiner eiskalten Haut spürte. Der Wind riss ihr die blaue Nylonkapuze vom Kopf. Vergeblich fummelte sie am Nacken herum, um sie wieder hochzuziehen, und ließ es schließlich bleiben. Sie rief mir etwas zu, doch genau in diesem Augenblick donnerte wieder eine Welle an den Strand. Sie lächelte hilflos, wartete, bis es etwas ruhiger geworden war, legte dann die Hände um den Mund und rief: »Was machen Sie hier?«
    »Bloß ein bisschen Luft schnappen.«
    »Nein ... ehrlich jetzt.«
    »Ich wollte mir die Stelle anschauen, wo man McAra gefunden hat.«
    »Warum?«
    Ich zuckte die Achseln. »Neugier.«
    »Aber Sie haben ihn ja nicht mal gekannt.«
    »Hab langsam das Gefühl, als hätte ich ihn doch gekannt.«
    »Wo ist Ihr Fahrrad?«
    »Gleich hinter den Dünen.«
    »Wir wollten Sie eigentlich wieder einfangen, bevor der Sturm losbricht.« Sie winkte den Leibwächter heran. Er stand etwa fünf Meter entfernt und beobachtete uns – klatschnass, genervt, sauer. »Barry, holen Sie den Wagen«, rief sie ihm zu. »Wir treffen uns dann oben, okay? Wir kommen mit dem Fahrrad zur Straße hoch, wir finden Sie dann schon.« Sie sprach mit ihm wie mit einem Dienstboten.
    »Fürchte, das kann ich nicht machen«, brüllte er zurück. »Laut Vorschrift muss ich immer bei Ihnen bleiben.«
    »Herrgott!«, rief sie höhnisch. »Glauben Sie ernsthaft, hier am Uncle Seth’s Pond hat sich eine terroristische Zelle eingebuddelt? Los jetzt, holen Sie den Wagen, sonst fangen Sie sich noch eine Lungenentzündung ein.«
    Ich schaute in sein ehrliches, unglückliches Gesicht, während sein Pflichtgefühl gegen den Wunsch nach einem trockenen Plätzchen ankämpfte. »Also gut«, sagte er schließlich. »Wir treffen uns in zehn Minuten. Aber bitte, verlassen Sie nicht den Weg, und sprechen Sie mit niemandem.«
    »Werden wir nicht, Officer«, sagte sie mit falscher Demut. »Versprochen.«
    Er zögerte noch kurz, dann trabte er den Weg zurück, den sie gekommen waren.
    »Die behandeln uns wie Kinder«, sagte Ruth, während wir zu den Dünen hochgingen. »Manchmal denke ich, die sollen uns nicht so sehr beschützen als vielmehr ausspionieren.«
    Als wir oben auf der Düne ankamen, drehten wir uns beide automatisch um und schauten hinaus aufs Meer. Nach ein, zwei Sekunden warf ich ihr einen kurzen, verstohlenen Seitenblick zu. Die blasse Haut glänzte vom Regen, das kurze dunkle Haar klebte ihr am Kopf und schimmerte wie eine Badekappe. Ihr Gesicht sah in der Kälte hart aus, wie Alabaster. Die Leute behaupteten immer, sie könnten nicht verstehen, was ihr Mann an ihr fand. Ich verstand es in diesem Augenblick – sie schien unter Spannung zu stehen, sie hatte eine zupackende, nervöse Energie: Sie war die reine Kraft.
    »Um ehrlich zu sein«, sagte sie, »ich war selbst schon ein paarmal hier unten. Meistens habe ich ein paar Blumen dabei, die ich unter einen Stein klemme. Armer Mike. Er mochte es gar nicht, aus der Stadt rauszumüssen. Spaziergänge draußen auf dem Land waren ihm verhasst. Und er konnte nicht mal schwimmen.«
    Sie fuhr sich mit der Hand einmal schnell über die Wangen. Ihr Gesicht war zu nass, als dass ich hätte erkennen können, ob sie weinte oder

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