Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
Zusammen verstauten wir das sperrige Rad im Heck, dann nahm er wieder seinen Platz am Steuer ein, und ich setzte mich neben Ruth auf die Rückbank.
    Wir fuhren nicht auf der Route zurück, die ich auf dem Hinweg mit dem Fahrrad genommen hatte. Die Straße schlängelte sich vom Meer weg einen Hügel hinauf. Die Abenddämmerung war feucht und düster – als ob sich eine der mächtigen Gewitterwolken nicht entladen, sondern ganz langsam zur Erde herabgesenkt und auf der Insel niedergelassen hätte. Ich verstand jetzt, warum Ruth sich an Cornwall erinnert fühlte. Das Scheinwerferlicht glitt über wildes Land, das fast an Heidemoor erinnerte, und im Außenspiegel konnte ich ganz schwach die leuchtend weißen Wellenkämme erkennen, die die Wasser des Vineyard Sound betupften. Die Heizung war voll aufgedreht, sodass ich mir an der beschlagenen Scheibe ständig eine Stelle freirubbeln musste, damit ich sehen konnte, wohin wir fuhren. Die langsam trocknende Kleidung klebte mir auf der Haut und dünstete den gleichen leicht unangenehmen Geruch nach Schweiß und chemischer Reinigung aus, den ich in McAras Zimmer gerochen hatte.
    Ruth sagte während der ganzen Fahrt kein Wort. Sie hatte mir leicht den Rücken zugedreht und schaute aus dem Fenster. Aber gerade als die Lichter des Flugplatzes an uns vorübergeglitten waren, schob sie ihre Hand über den Sitz und umfasste meine Hand. Ich wusste nicht genau, was in ihrem Kopf vorging, aber ich konnte es mir denken und erwiderte den Druck: Sogar ein Ghost ist hin und wieder zu ein wenig menschlicher Anteilnahme fähig. Im Rückspiegel schaute mir Barry in die Augen. Als er den Blinker setzte, um nach rechts in den Wald abzubiegen, flackerten in der Dunkelheit kurz die Bilder von Tod und Folter und die Worte DENN WIE IN ADAM ALLE STERBEN auf. Aber soweit ich erkennen konnte, war der kleine Verschlag mit der Plastikplane leer. Dann schaukelten wir den Weg zum Haus hinunter.

ELF
    »Es kann vorkommen, dass der Kunde dem Ghost etwas erzählt, mit dem er sich widerspricht, oder etwas, was er schon einmal erwähnt hat. In diesem Fall ist es wichtig, das sofort anzusprechen.«
    »GHOSTWRITER«
     
     
    Als Erstes nach unserer Rückkehr ließ ich mir ein heißes Bad ein und kippte eine halbe Flasche biologisches Badeöl (Pinie, Kardamom, Ingwer) dazu, das ich im Badezimmerschrank gefunden hatte. Während das Wasser einlief, schloss ich die Zimmervorhänge und zog mir die feuchten Sachen aus. Natürlich gab es in einem so modernen Haus wie dem von Rhinehart nichts so primitiv Nützliches wie einen Heizkörper, sodass ich die Klamotten einfach auf dem Boden liegen ließ. Ich ging ins Bad und legte mich in die große Wanne.
    Wie es sich lohnt, gelegentlich richtig ausgehungert zu sein, einfach um den Geschmack von Nahrungsmitteln wieder genießen zu können, so weiß man auch das Vergnügen eines heißen Bades nur dann wirklich zu schätzen, wenn man von stundenlangem Regen durchgefroren ist. Wohlig stöhnend ließ ich mich ins Wasser gleiten, bis die duftende Oberfläche direkt unter meinen Nasenlöchern stand. Mehrere Minuten lag ich wie ein Alligator in seiner feuchtheißen Lagune regungslos da. Deshalb hatte ich wohl auch das Klopfen an meiner Zimmertür nicht gehört. Erst als ich den Kopf aus dem Wasser hob, hörte ich, dass jemand in meinem Zimmer war.
    »Hallo?«, rief ich.
    »Entschuldigung«, rief Ruth. »Ich habe geklopft. Ich bin’s. Ich lege Ihnen nur ein paar trockene Sachen hin.«
    »Nicht nötig«, sagte ich. »Ich komme schon klar.«
    »Wenn Sie sich nicht was Trockenes anziehen, dann holen Sie sich noch den Tod. Die anderen Sachen gebe ich Dep zum Waschen.«
    »Wirklich, das ist nicht nötig.«
    »In einer Stunde gibt’s Abendessen. Passt Ihnen das?«
    Ich gab auf.
    »Bestens, danke.«
    Ich lauschte, bis ich das Schließen der Tür hörte, dann stieg ich sofort aus der Wanne und nahm mir ein Badetuch. Auf dem Bett lagen ein gebügeltes Hemd ihres Mannes (maßgeschneidert, mit Monogramm auf der Brusttasche), ein Pullover und eine Jeans. Wo meine nassen Sachen gelegen hatten, war jetzt nur noch ein feuchter Fleck auf dem Boden. Ich hob die Matratze hoch – der Umschlag war noch da – und ließ sie wieder herunterfallen.
    Ruth Lang hatte etwas Beunruhigendes an sich. Man wusste bei ihr nie, woran man war. Manchmal wurde sie ohne jeden Grund aggressiv – ich erinnerte mich noch gut an unsere erste Unterhaltung, in der sie mir im Grunde vorgeworfen hatte, ein schmuddeliges

Weitere Kostenlose Bücher