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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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natürlich.« Sie hielt das Telefon in der ausgestreckten Hand, machte sich mit einem schnellen Blick schlau und fing dann an, mit dem Daumen flott die Nummer zu tippen. Plötzlich hielt sie inne.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Nichts.« Sie schaute über meine Schulter ins Leere und kaute auf ihrer Unterlippe. Der Daumen schwebte ein paar lange Sekunden über dem Nummernfeld, dann legte sie das Telefon wieder auf den Tisch.
    »Wollen Sie ihn doch nicht anrufen?«
    »Später.« Sie stand auf. »Ich gehe erst einmal spazieren.«
    »Aber es ist schon neun«, sagte ich. »Und es schüttet wie aus Kübeln.«
    »Ich muss einen klaren Kopf bekommen.«
    »Ich komme mit.«
    »Nein. Danke, aber ich muss mir die ganze Geschichte in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Allein. Bleiben Sie sitzen, und genehmigen Sie sich noch einen Schluck. Sie sehen ganz so aus, als hätten Sie den nötig. Sie brauchen nicht auf mich zu warten.«
     
     
    *
     
    Der arme Leibwächter tat mir leid. Bestimmt hatte er unten mit hochgelegten Füßen vor dem Fernseher gesessen und sich auf einen ruhigen Abend gefreut. Und plötzlich kam Lady Macbeth wieder über ihn und unternahm einen ihrer zahllosen Spaziergänge, obendrein während draußen ein adantischer Sturm tobte. Ich stand am Fenster und beobachtete, wie die beiden über den Rasen gingen. Sie wie immer voraus, den Kopf gesenkt, als hätte sie zuvor etwas Wertvolles verloren und ginge jetzt denselben Weg zurück und suchte den Boden ab. Das Scheinwerferlicht warf von beiden Gestalten Schatten in vier Richtungen auf die Rasenfläche. Der Special-Branch-Mann war immer noch dabei, sich den Mantel zuzuknöpfen.
    Plötzlich fühlte ich mich hundemüde. Meine Beine waren vom Radfahren ganz steif. Ein leichtes Zittern kündigte eine Erkältung an. Sogar Rhineharts Whisky konnte mich nicht mehr locken. Ich steckte die Fotokopien und Fotos wieder in den Umschlag und ging nach unten in mein Zimmer. Ich zog mich aus, legte mich ins Bett und machte das Licht aus. Fast augenblicklich schien die Müdigkeit mich zu überwältigen, schien mich in die dunklen Wasser des Schlafes hinunterzuziehen, deren starke Strömungen an mir zerrten wie an einem ausgepumpten Schwimmer.
    Einmal tauchte ich auf und sah neben mir McAra, dessen großer, schwerfälliger Körper sich im Wasser wie ein Delfin drehte. Er war vollständig bekleidet, trug einen schwarzen Regenmantel und schwere Schuhe mit Gummisohlen. Ich schaff’s nicht mehr, sagte er zu mir, du musst ohne mich weiter.
    Ich schoss in die Höhe. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich geschlafen hatte. Im Zimmer war es dunkel. Links von mir sah ich einen senkrechten hellen Streifen.
    Jemand klopfte an die Tür. »Sind Sie wach?« Ruths leise Stimme.
    Sie hatte die Tür einen Spalt geöffnet und stand im Gang.
    »Jetzt ja.«
    »Tut mir leid.«
    »Macht nichts. Einen Moment, bitte.«
    Ich ging ins Bad und zog den weißen Frotteebademantel an, der an der Rückseite der Tür hing. Dann kehrte ich ins Zimmer zurück und zog die Tür ganz auf. Ruth trug den gleichen Bademantel wie ich. Er war ihr zu groß. Sie sah darin überraschend klein und verletzlich aus. Ihr Haar war tropfhass. Die nackten Füße hatten auf dem Boden zwischen ihrem und meinem Zimmer feuchte Abdrücke hinterlassen.
    »Wie spät ist es?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung. Ich habe gerade mit Adam gesprochen.« Sie zitterte und schien wie betäubt zu sein. Die Augen hatte sie weit aufgerissen.
    »Und?«
    Sie schaute nach links und nach rechts. »Kann ich reinkommen?«
    Ich war von meinem Traum immer noch schwer angeschlagen. Ich machte das Licht an, ließ sie eintreten und schloss die Tür.
    »Am Tag vor Mikes Tod hatten Adam und er einen fürchterlichen Krach«, sagte sie ohne jede Einleitung. »Das habe ich bis jetzt noch niemandem erzählt, auch nicht der Polizei.«
    Ich massierte meine Schläfen und versuchte mich zu konzentrieren.
    »Worum ging es da?«
    »Das weiß ich nicht, aber es war heftig – und endgültig. Danach haben sie kein Wort mehr miteinander geredet. Ich habe Adam danach gefragt, aber er hat sich geweigert, darüber zu sprechen. Jedes Mal, wenn ich das Thema angeschnitten habe, dasselbe, kein Wort. Nach dem, was Sie heute herausgefunden haben, hatte ich das Gefühl, dass wir das ein für alle Mal aus der Welt schaffen müssten.«
    »Und? Was hat er gesagt?«
    »Er hat gerade mit dem Vizepräsidenten zu Abend gegessen. Erst hat sich dieses Weibsstück doch tatsächlich geweigert, ihm das

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