Ghost
saß sie im Bademantel am Schreibtisch und blätterte im Manuskript. Die Vorhänge waren noch zugezogen.
»Du hast seine Familiengeschichte rausgeworfen«, sagte sie. »Das wird ihm sicher nicht gefallen. Er ist sehr stolz auf die Langs. Und warum ist mein Name immer unterstrichen?«
»Ich wollte überprüfen, wie oft du erwähnt wirst. Es hat mich überrascht, dass du so selten vorkommst.«
»Das ist ein Überbleibsel von den Gruppendiskussionen.«
»Bitte?«
»Als wir noch in Downing Street waren, hat Mike immer gesagt, dass jedes Mal, wenn ich den Mund aufmache, Adam zehntausend Wähler verliert.«
»Ich bin mir sicher, dass das nicht gestimmt hat.«
»Und ob das gestimmt hat. Die Leute wollen immer jemanden, über den sie sich aufregen können. Oft denke ich, dass mein hauptsächlicher Nutzen für Adam darin bestanden hat, als Blitzableiter zu fungieren. Anstatt an ihm konnten die Menschen ihren Zorn an mir ablassen.«
»Selbst wenn es so wäre«, sagte ich, »ist das kein Grund, dich einfach aus der Geschichte zu streichen.«
»Warum nicht? Geht doch den meisten Frauen so. Selbst die Amelia Blys dieser Welt werden am Ende gestrichen.«
»Tja, dann werde ich dich eben wieder einbauen.« Ich musste weg von hier. Ich schob die Tür des Spiegelschranks so heftig zur Seite, dass sie gegen den Rahmen knallte. Ich brauchte Abstand von dieser destruktiven Menage-á-trois, sonst drehte ich noch selbst durch. »Wenn du mal Zeit hast, dann würde ich mich gern mit dir zusammensetzen, um ein richtig langes Interview zu führen. Um all die wichtigen Ereignisse einzubauen, die er vergessen hat.«
»Sehr freundlich«, sagte sie bitter. »So wie man die Sekretärin interviewt, die ihren Boss an den Geburtstag seiner Frau zu erinnern hat?«
»So was in der Art. Aber wie du bereits gesagt hast, ich bin ja kein richtiger Schriftsteller.«
Ich spürte, dass sie mich ganz genau beobachtete. Ich zog meine Boxershorts an, unter dem Bademantel.
»Aha, die Schamhaftigkeit am Morgen danach«, kommentierte sie trocken.
»Ein bisschen spät dafür«, sagte ich.
Während ich den Bademantel auszog und ein Hemd von einem hohl scheppernden Kleiderbügel nahm, ging mir der Gedanke durch den Kopf, dass das genau die Art von jämmerlicher Szene war, zu deren Vermeidung man den diskreten nächtlichen Abgang erfunden hat. Typisch für sie, dass sie nicht spürte, was die Situation erforderte. Wie ein Schatten lag diese Vertrautheit jetzt zwischen uns. Das Schweigen zog sich in die Länge und verdichtete sich, bis ich ihren Unmut als eine fast physische Schranke spüren konnte. Ich hätte jetzt genauso wenig auf sie zugehen und sie küssen können wie an dem Tag, als wir uns zum ersten Mal begegneten.
»Was willst du jetzt machen?«, fragte sie.
»Ich gehe.«
»Das ist nicht nötig, was mich betrifft.«
»Was mich betrifft, schon.«
Ich zog meine Hose an.
»Wirst du Adam davon erzählen?«
»Herrgott!«, rief ich. »Was glaubst du?«
Ich legte meinen Koffer aufs Bett und zog den Reißverschluss auf.
»Und wohin willst du?« Sie sah aus, als würde sie jeden Moment wieder anfangen zu weinen. Hoffentlich nicht, das wäre zu viel gewesen.
»Wieder ins Hotel. Da kann ich wesentlich besser arbeiten.« Ich hielt mich nicht damit auf, meine Sachen zusammenzulegen, sondern warf sie einfach in den Koffer. Ich wollte so schnell wie möglich weg. »Es tut mir leid. Man soll nie im Haus des Auftraggebers wohnen. Das endet immer ...« Ich zögerte.
»Damit, dass man die Frau des Auftraggebers vögelt?«
»Nein, natürlich nicht. Es macht es einem nur verdammt schwer, die nötige professionelle Distanz zu wahren. Aber hier zu wohnen war ja nun auch nicht direkt meine Idee, wie du dich sicherlich erinnerst.«
»Sehr gentlemanlike, danke.«
Ich sagte nichts darauf, sondern packte weiter. Sie verfolgte jede meiner Bewegungen.
»Und was ich dir gestern Abend erzählt habe?«, fragte sie. »Was willst du damit anfangen?«
»Nichts.«
»Du kannst das nicht einfach ignorieren.«
»Ruth«, sagte ich und hörte nun doch auf zu packen. »Ich bin sein Ghostwriter, ich bin kein investigativer Reporter. Wenn er mir die Wahrheit erzählen will, einverstanden, dann schreib ich’s rein. Wenn er sie nicht erzählen will, auch gut. Ich bin moralisch neutral.«
»Es ist nicht moralisch neutral, die Tatsachen zu verschweigen, wenn man weiß, dass etwas Gesetzwidriges geschehen ist. Das ist kriminell.«
»Aber ich weiß ja nicht einmal, ob
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