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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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tatsächlich etwas Gesetzwidriges geschehen ist. Ich habe eine auf die Rückseite eines Fotos gekritzelte Telefonnummer, und ich habe einen alten Mann, der mir etwas Tratsch erzählt hat, sich aber genauso gut irren kann. Das ist alles. Wenn jemand etwas Beweiskräftiges hat, dann du. Das ist nämlich die entscheidende Frage: Was willst du damit anfangen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Vielleicht schreibe ich meine eigenen Memoiren. ›Jetzt spricht die Frau des Expremiers: So war es wirklich.‹«
    Ich machte mich wieder ans Packen.
    »Wenn es so weit ist, ruf mich an.«
    Sie lachte einmal laut auf, auf die für sie typische, kehlig dröhnende Art.
    »Glaubst du wirklich, dass ich jemanden wie dich brauche, um ein Buch zu schreiben?«
    Sie stand auf und löste den Gürtel ihres Bademantels, und einen Augenblick lang glaubte ich, sie wollte ihn ausziehen, aber sie lockerte ihn nur etwas, um sich den Mantel enger um den Körper zu schlingen. Dann zog sie den Gürtel fest zusammen und verknotete ihn. Mit der Endgültigkeit dieser Geste stellte sie auf gewisse Weise ihre Überlegenheit über mich wieder her. Meine Zugriffsrechte waren hiermit widerrufen. Ihre Entschlossenheit wirkte so resolut, dass ich fast wehmütig wurde, und wenn sie die Arme ausgebreitet hätte, wäre diesmal ich an ihre Brust gesunken. Stattdessen drehte sie sich um, zog in geübter Manier einer Premierministersgattin an der Nylonschnur und öffnete die Vorhänge.
    »Hiermit erkläre ich den heutigen Tag für offiziell eröffnet«, sagte sie. »Möge Gott ihn und alle, die ihn bestehen müssen, segnen.«
    »Nun«, erwiderte ich und schaute hinaus in den Garten, »wenn das nicht der Katzenjammer danach ist.«
    Der Regen war in Graupelschauer übergegangen, der Rasen war übersät mit Ästen und Zweigen, die der Sturm heruntergerissen hatte. Ein weißer Plastikstuhl lag umgekippt auf der Terrasse. An einigen Stellen rund um die überdachte Fläche vor der Tür war der Graupel zu schmalen Streifen zusammengefroren, die wie Styropor aussahen. Das einzig Helle in dem düsteren Dunst war das Licht, das aus unserem Zimmer drang und wie ein außerirdisches Raumschiff über den Dünen zu schweben schien. Ruths Gesicht spiegelte sich in der Scheibe ziemlich deutlich wider: Ich sah ihr an, dass sie einen Entschluss gefasst hatte.
    »Ich werde dir kein Interview geben«, sagte sie. »Ich will in Adams Scheißbuch nicht vorkommen. Ich kann auf seine respektive deine gönnerhaften Dankesworte verzichten.« Sie drehte sich um und ging mit schnellen Schritten an mir vorbei zur Tür, wo sie noch einmal kurz stehen blieb. »Er muss jetzt allein zurechtkommen. Ich reiche die Scheidung ein. Dann kann sie ihn im Gefängnis besuchen.«
    Ich hörte, wie ihre Zimmertür geöffnet und wieder geschlossen wurde und kurz danach das leise Geräusch der Toilettenspülung. Ich war fast fertig mit dem Packen. Ich legte die Sachen, die sie mir am Abend zuvor geliehen hatte, ordentlich auf den Stuhl und verstaute den Laptop in meiner Schultertasche. Dann war nur noch das Manuskript übrig. Der Stapel Papier, in dem sie gerade noch geblättert hatte, lag auf dem Schreibtisch, störrisch, sieben, acht Zentimeter dick – mein Mühlstein, mein Albtraum, mein Kapital. Das Manuskript durfte das Grundstück nicht verlassen, ohne konnte ich aber nicht weitermachen. Ich könnte vielleicht damit argumentieren, dachte ich, dass die Ermittlungen wegen der Kriegsverbrechen Langs Lebensumstände grundlegend verändert hätten und damit auch die alten Vorschriften keine Gültigkeit mehr besäßen. Wie auch immer, als Ausrede konnte ich das auf jeden Fall benutzen. Zu bleiben und alle paar Stunden Ruth über den Weg zu laufen, diese Peinlichkeit könnte ich ganz sicher nicht ertragen. Ich steckte das Manuskript neben den Umschlag aus dem Cambridge-Archiv in den Koffer, zog den Reißverschluss zu und trat hinaus auf den Gang.
    Barry, der Mann von der Special Branch, saß im Sessel neben der Haustür und las in seinem Harry-Potter-Roman. Er hob sein großes, plattes Gesicht und warf mir einen gelangweilten Blick zu, in dem sich Missbilligung mit einem Hauch höhnisch feixender Verachtung mischte.
    »Morgen, Sir«, sagte er. »Angenehme Nacht gehabt?«
    Er weiß es, dachte ich. Und dann war ich mir sicher: Natürlich weiß er es, du Penner, das ist sein Job. Und sofort sah ich alles vor mir: die kichernden Unterhaltungen mit seinen Kollegen, das nach London übermittelte offizielle Protokoll

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