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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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der Partei ausgegraben, in der Adam beim Wahlkampf siebenundsiebzig abgebildet ist.«
    »Das muss gewesen sein, nachdem wir uns kennengelernt haben.«
    »Möglich.«
    Ich spürte, dass sie irgendetwas beunruhigte. Wieder klatschte eine Regenbö gegen die Fensterscheibe. Sie fuhr mit den Fingerspitzen über das schwere Glas, als wollte sie den Weg der Regentropfen nachzeichnen. Die Beleuchtung im Garten hatte den Effekt, dass man glaubte, auf den Grund des Ozeans zu schauen. Überall schwankende Farnwedel und dünne graue Baumstümpfe, die wie die Spieren versunkener Segelschiffe aufragten. Dep brachte den Hauptgang – gedünsteter Fisch, Nudeln und irgendein obskures blassgrünes Gemüse, das wie Unkraut aussah – und wahrscheinlich auch Unkraut war. Demonstrativ schenkte ich mir den Rest des Weines ein.
    »Möchten Sie noch eine Flasche, Sir?«, fragte Dep.
    »Sie haben nicht zufällig Whisky im Haus?«
    Die Haushälterin schaute Ruth fragend an.
    »Dann bring ihm halt seinen verdammten Whisky«, sagte Ruth.
    Dep kehrte mit einer Flasche fünfzig Jahre alten Chivas Regal Royal Salute und einem geschliffenen Tumbler zurück. Ruth fing an zu essen, und ich schenkte mir den Scotch ein und fügte etwas Wasser dazu.
    »Dep, das ist köstlich!«, rief Ruth. Mit der Serviettenspitze tupfte sie sich den Mund ab und betrachtete überrascht – als glaubte sie, sie hätte zu bluten angefangen – den Lippenstiftfleck auf dem weißen Leinen. »Zurück zu Ihrer Frage«, sagte sie. »Ich glaube nicht, dass Sie nach Geheimnissen suchen sollten, wo keine sind. Adam hatte immer ein soziales Gewissen, das hat er von seiner Mutter, und ich weiß, dass er nach seiner Rückkehr aus Cambridge in London sehr unglücklich war. Ich glaube sogar, das er damals krankhaft depressiv war.«
    »Krankhaft depressiv? Dann hat er sich vielleicht behandeln lassen deswegen? Stimmt das wirklich?« Ich bemühte mich, meiner Stimme die Aufregung nicht anmerken zu lassen. Wenn das stimmte, dann war das die interessanteste Neuigkeit des Tages. Nichts verkauft eine Autobiografie so gut wie ein gewisses Quantum Elend. Sexueller Missbrauch in der Kindheit, Querschnittslähmung, Armut: In den richtigen Händen ist das Gold wert. In Buchläden sollte es eine eigene Abteilung »Schadenfreude« geben.
    »Versetzen Sie sich in seine Lage.« Ruth spießte ein Stück Fisch auf und wedelte mit der Gabel herum. »Vater und Mutter waren beide tot. Das Leben an der Uni, das er so geliebt hatte, war vorbei. Viele seiner Schauspielerfreunde hatten Agenten und bekamen Angebote. Er nicht. Ich glaube, er hat den Boden unter den Füßen verloren und sich politischen Aktivitäten zugewendet, um das zu kompensieren. Er würde das wahrscheinlich nicht so ausdrücken – er ist nicht der Typ, der sich selbst analysiert –, aber das ist meine Lesart dessen, was damals passiert ist. Sie wären überrascht, wie viele Leute in der Politik landen, weil sie mit dem, was sie eigentlich lieber machen würden, keinen Erfolg haben.«
    »Dann muss das für ihn, als er Sie kennenlernte, ein sehr bedeutender Augenblick gewesen sein.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie waren ernsthaft politisch engagiert. Und Sie kannten sich aus. Sie hatten Verbindungen in der Partei. Sie haben ihm ein Ziel gegeben, das er ernsthaft verfolgen konnte.« Ich hatte das Gefühl, als würde sich ein Schleier lüften. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mir das aufschreibe?«
    »Nur zu, wenn Sie glauben, dass Sie es gebrauchen können.«
    »Und ob.« Ich legte Messer und Gabel über Kreuz auf den Teller – im Grunde bin ich nie der Fisch-und-Unkraut-Typ gewesen –, holte mein Notizbuch heraus und schlug eine neue Seite auf. Ich versetzte mich im Geist wieder in Langs Lage – ich war Anfang zwanzig, Waise, einsam, ehrgeizig, talentiert, aber nicht talentiert genug, auf der Suche nach meinem Weg, erste zögerliche Schritte in die Politik, dann die Bekanntschaft mit einer Frau, die plötzlich eine Zukunft ermöglichte.
    »Die Ehe mit Ihnen muss sehr wichtig für ihn gewesen sein – ich meine, politisch.«
    »Ich war sicherlich etwas anders als die Mädchen, die er aus Cambridge kannte, diese Iokastes und Pandoras. Schon als junges Mädchen habe ich mich mehr für Politik als für Ponys interessiert.«
    »Hatten Sie nie den Wunsch, selbst eine richtige Politikerin zu werden?«
    »Natürlich. Hatten Sie nie den Wunsch, ein richtiger Schriftsteller zu werden?«
    Das traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich bin mir

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