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Ghostman: Thriller (German Edition)

Ghostman: Thriller (German Edition)

Titel: Ghostman: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Hobbs
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freiem Fuß.
    Warum hatte er Marcus nicht angerufen?
    Wenn du nach einem Überfall nicht an dem besprochenen Treffpunkt aufkreuzst oder anrufst, tauchst du ab. Abtauchen und Verschwinden sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Eine ganze Crew verschwindet nach einem Job, damit keiner gefasst wird. Ein Einzelner taucht ab, damit er persönlich nicht gefasst wird. Abtauchen ist eine der Todsünden im professionellen Bankraub. Egal, was passiert, egal, wie katastrophal die Lage ist: Du tauchst nicht ab, und schon gar nicht tauchst du mit der Beute ab. Wenn der Plan sagt, ihr trefft euch beim Lagerhaus, dann trefft ihr euch am Lagerhaus. Wenn der Plan sagt, geh in ein Motel, dann gehst du in ein Motel. Wenn du abtauchst und deine Crew zurücklässt, bricht die gesamte Fluchtaktion auseinander, und das ist der erste Schritt zur Verhaftung aller Beteiligten. Wenn dir vor dem Job mulmig wird, hast du in den meisten Fällen genug Zeit, um zu sagen, dass du aussteigst. Du kannst aufgeben und nach Hause fahren. Wenn es aussieht, als ginge die Sache schief, kannst du deiner Crew sagen, dir ist nicht wohl dabei, und weggehen. Aber in dem Augenblick, wo der Job anfängt, bist du dabei. Profis nehmen das sehr ernst. Für manche Leute ist es eine Frage des Stolzes. Manche Leute würden lieber sterben, als abzutauchen. Viele haben es auch getan.
    Also war Ribbons vielleicht tot.
    Und vielleicht war der Schuss für Marcus jetzt nach hinten losgegangen.
    Marcus war dafür bekannt, dass er Leute, die nicht lieferten, entsetzlich bestrafte. Wahrhaft barbarisch. Dieser Ruf sorgte dafür, dass keiner aus der Reihe tanzte, schön, aber mir war nicht klar, wieso einer wie Ribbons deshalb weglaufen sollte. Ich hatte eine Story über einen Elektronik-Spezialisten gehört, der vergessen hatte, in einer Bank einen Alarm abzuschalten. Vier von Marcus’ bevorzugten Leuten waren für jeweils fünf Jahre in den Knast gegangen. Marcus besuchte den Mann zu Hause und zwang ihn, ein ganzes Glas gemahlenen Muskat zu essen. Schaufelte es ihm mit einem Löffel in den Mund. Das klingt nicht so schlimm, wenn man nicht weiß, dass Muskat Myristicin enthält. Ein Teelöffel ist okay, aber ein ganzes Glas nicht. Ein paar Stunden danach fing der Mann an zu würgen. Dann entwickelte er Kopf- und Gliederschmerzen, die sich anfühlten wie der Kater nach einer Kneipenschlägerei. Eine Stunde später bekam er Herzrasen, und seine Hände fingen an, unkontrollierbar zu zittern. Das dauerte fast sieben Stunden, bis die Halluzinationen begannen. Er kam auf einen heftigen Trip, sein Fieber stieg auf einundvierzig Grad, er riss sich die Kleider vom Leib und kratzte sich das Gesicht blutig. Ein Muskattrip kann drei Tage dauern. Manche Leute finden ihn angenehm, für die meisten ist er die Hölle auf Erden. In einigen Versionen der Geschichte lässt Marcus dem Mann eine Pistole mit einer Patrone da, damit er sich erschießen kann. In anderen heißt es, der Mann habe sich die Zunge abgebissen und sei an seinem eigenen Blut erstickt.
    Wenn Ribbons annahm, dass ihn so etwas erwartete, war es kein Wunder, dass er sich nicht gemeldet hatte.

SIEBEN
    Ich schaltete den Fernseher ab und saß ein paar Augenblicke lang still da, schloss die Augen und dachte an Ribbons. Er hatte sich einen Riesenärger eingehandelt. Schließlich öffnete ich die Augen wieder und fing an, mich zu verwandeln.
    Für mich war das immer die einfachste Sache der Welt. Ich schnallte mich los und holte meine Tasche aus dem Gepäckschrank. Im Seitenfach waren drei ausgebleichte Pässe, und in jedem steckte der dazu passende Führerschein. Ich hatte die Wahl zwischen drei Männern unterschiedlichen Alters. Jeder hatte sein eigenes Aussehen, seinen Beruf, jeder führte ein ganz anderes Leben. Keiner von ihnen sah aus wie ich, aber das war kein Problem. Nicht ich würde ja nach Atlantic City fliegen, sondern einer der drei.
    Jack Morton war der Älteste und eine meiner Lieblingsidentitäten. Sein Vorbild war einer meiner Lieblingsprofessoren am College, und ich war noch nie mit ihm in Schwierigkeiten geraten. Er hatte eine gute, kraftvolle, vornehme Persönlichkeit. Wenn ich ihn spielte, war meine Stimme tiefer, und meine Bewegungen wurden langsamer und bedächtiger. Er war freundlich, redegewandt und geistesgegenwärtig. Seine Stimme klang wie geschmolzenes Wachs. Ich legte seinen Pass auf meinen Tisch und packte die beiden anderen wieder weg. Er war mein Mann.
    Nach dem Geburtsdatum im Pass war Jack Morton Mitte

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