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Ghostman: Thriller (German Edition)

Ghostman: Thriller (German Edition)

Titel: Ghostman: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Hobbs
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fünfzig, aber tatsächlich war er gerade zwei Jahre alt. Ich hatte ihn im Laufe von sechs Monaten zwischen zwei Jobs Stück für Stück erschaffen. Ich hatte alle seine offiziellen Daten aktenkundig gemacht. Irgendwo hatte ich Kopien seiner Geburtsurkunde und seines Collegediploms versteckt. Er war auf der University of Connecticut in Stamford gewesen und hatte mit mäßigem Erfolg die alten Sprachen studiert. Jetzt arbeitete er als Versicherungsdetektiv. Ich mochte ihn, weil er anders als ein paar andere meiner Identitäten keine einzige Vorstrafe aufzuweisen hatte. Er war ein guter Mann, der nichts dagegen hatte, von Zeit zu Zeit auch grob zu werden. Ich fühlte, wie mein Gesichtsausdruck sich veränderte, ich mich Mortons Mimik anpasste. Mein Ruhepuls verlangsamte sich, und meine Hände krümmten sich wie bei einem schon etwas älteren Menschen. Es ist anstrengend, in zwanzig Sekunden um zwanzig Jahre älter zu werden.
    Ich atmete tief ein und langsam wieder aus und wurde sechsundfünfzig Jahre alt.
    Da Morton ein etwas dunklerer Typ war, musste ich mich farblich anpassen. Vorsichtig nahm ich meine Kontaktlinsen heraus und ersetzte sie durch trübere, mattere blaue. In meiner Toilettentasche war ein kleiner Schminkspiegel für das Make-up. Ich akzentuierte die Konturen meines Gesichts mit einem Stift und runzelte die Stirn, um die Falten nachzeichnen zu können. Dann verschmierte ich die Striche des Schminkstifts mit dem Daumen, bis sie sich nahtlos in das Terrain meines Gesichts einfügten. Ich trug eine sehr dünne dunkle Grundierung auf Hals, Wangen und Stirn auf. Zwei Minuten später sah es aus, als hätte ich die Runzeln und tiefen Lachfalten eines zwanzig Jahre älteren Mannes.
    » Mein Name ist Jack Morton«, sagte ich übungshalber mit seiner Stimme.
    Die Haare kamen als Nächstes. Es gibt Hunderte von Produkten, mit denen man seine Haarfarbe verändern kann, aber ich verlasse mich inzwischen nur noch auf ein paar wenige auserwählte. Dabei kommt es auf Schnelligkeit und Einfachheit an. Ich hatte weder Zeit noch Platz, mir die Haare zu waschen und die Farbe eine Stunde lang einwirken zu lassen. Ich befeuchtete meinen Kopf am Waschbecken und kämmte die Instantfarbe sorgfältig strähnchenweise ein. Mein hellblondes Haar verfärbte sich zu einem dunkleren, schmutzigeren, älter wirkenden Braun. Als die Farbe verteilt war, fügte ich einzelne graue Strähnen ein, und dann kämmte ich das Haar zurück und zerzauste es, sodass es unordentlich aussah. Ein pa ar Tupfen mit dem Stift, und meine Brauen passten zum Haar.
    » Mein Name ist Jack Morton«, sagte ich noch einmal zu mir selbst. » Ich bin Versicherungsdetektiv bei Harper and Locke. Geboren in Lexington, Massachusetts.«
    Ich hatte ein paar Brillen in meiner Tasche und probierte verschiedene Formen aus. Ein Drahtgestell war zu trendig, runde Gläser wirkten ein bisschen altmodisch. Ein dickes, schwarzes Gestell passte auch nicht. Ich entschied mich für eine Bifokalbrille mit rechteckigen Gläsern, die ein kleines Stück weit auf der Nase herunterrutschte. Ein Blick in den Spiegel: Ich sah praktisch aus wie ein Professor. Ich wickelte ein Stück Zahnseide um den linken Ringfinger und zog es so stramm, dass es den Blutkreislauf absperrte. Nach seiner von mir verfassten Lebensgeschichte war Morton seit etwas über einem Jahr geschieden. Als ich die Zahnseide wieder entfernte, hinterließ sie das Mal eines verheirateten Mannes.
    Zur Vervollständigung meines Kostüms müsste ich die Armbanduhr auswechseln. Kein Versicherungsdetektiv würde eine so unglaublich teure Patek Philippe tragen, und es wäre dumm, das Risiko einzugehen, dass jemand sie bemerkte. Aber ich hatte keine andere Uhr bei mir, und außerdem hing ich an ihr. Ich schob sie am Handgelenk hinauf und versteckte sie unter der Manschette.
    All das zusammen machte mich vollkommen unauffällig. Ich sah aus wie Tausende andere weiße Amerikaner über fünfzig. Mittelschwer, mittelgroß, mittleres Einkommen. Das Einzige, was mich vom Durchschnitt unterschied, waren der teure Anzug und die teure Uhr. Aber das konnte ich erklären. In meinem Alter muss man auf sein Äußeres achten. Das gehört einfach zum Job.
    Wir landeten kurz vor vier Uhr nachmittags auf dem Atlantic City International Airport. Ich stellte meine Uhr um drei Stunden vor, als die Reifen einmal über die Landebahn hüpften. Hier war es noch heißer, sengende zweiunddreißig Grad und kaum Aussicht auf Abkühlung in nächster Zeit.

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