Ghostwalker 01 - Ghostwalker 01
herunterkam, würde er sich wundern, dass noch kein Frühstück auf ihn wartete, wie sie es ihm versprochen hatte, deshalb beeilte sie sich, alles vorzubereiten. Als er wenige Minuten später auftauchte, saß sie bereits am Tisch und las in einer alten Ausgabe von Science , die sie im Wohnzimmer gefunden hatte. Es gelang Isabel, ihren Vater anzulächeln, während sie ihm eine Tasse Kaffee einschenkte, doch in Gedanken war sie weit weg. Sie konnte sich weder erklären, was mit ihr geschah, noch was mit ihrem Vater los war. Aber sie musste es herausfinden, wenn sie nicht verrückt werden wollte.
Bowen hatte Mühe, seine Augen zu öffnen, durch den Schlafmangel war er so erschöpft, dass ihm jede Bewegung zu viel erschien. Vermutlich sollte er schlafen, um neue Kräfte zu sammeln, aber er hatte Angst, die Kontrolle über seinen Körper aufzugeben. Was war, wenn er sich im Schlaf in einen Berglöwen verwandelte und damit dem Folterer das gab, was er wollte? Würde er ihn dann töten oder noch weitere, schmerzhaftere Experimente an ihm durchführen? Die Frage war nur, wie er durchhalten sollte. Ohne Nahrung und mit wenig Wasser würde das nicht mehr lange möglich sein. Er spürte, wie seine Energie immer mehr schwand. Genau wie sein Widerstand.
Wenn es nur um ihn ginge, hätte er vermutlich schon aufgegeben, doch es ging nicht nur um sein Leben, sondern um alle anderen Wandler, die er durch seinen Leichtsinn in Gefahr gebracht hatte. Die Scham saß tief, er wusste nicht, ob er überhaupt wieder zur Gruppe zurückkehren konnte, sollte er jemals hier herauskommen.
Sein Kopf ruckte zur Tür, als er etwas wahrnahm. Zuerst wusste er nicht, was es war, doch dann erstarrte er. Irgendjemand stand auf der anderen Seite, Bowen konnte ihn atmen hören. Automatisch hielt er seinen Atem an, bevor er erkannte, wie unsinnig das war. Wer auch immer dort auf der anderen Seite stand, war ein normaler Mensch und konnte ihn nicht hören. Als er tief Luft einsog, bemerkte er wieder den leicht süßlichen Duft, der ihm schon früher aufgefallen war. Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit seitdem vergangen war, aber irgendwie beruhigte es ihn, dass die Frau, die er witterte, immer noch da war. Bowen fühlte einen Teil seiner Anspannung schwinden. Ruhe durchströmte ihn. Zum ersten Mal seit seiner Entführung konnte er sich entspannen, waren Furcht und Wut kaum noch spürbar.
Bowen schloss die Augen und genoss das Gefühl. Wer immer die Frau war, wenn es nach ihm ging, konnte sie so lange bleiben, wie sie wollte. Als hätte sie ihn gehört, entfernte sie sich von der Tür, er konnte hastige Schritte hören und ein dumpfes Schlagen. Der Geruch löste sich langsam auf, und es blieb nichts zurück. Furcht, Zorn und die furchtbaren Schmerzen kehrten mit Macht zurück, und Bowen biss sich auf die Lippe, um nicht aufzustöhnen. Warum hatte sie nicht noch etwas bleiben können?
Die Zähne fest zusammengebissen marschierte Marisa hinter Amber her, die sich mit Leichtigkeit über den unebenen Boden bewegte, fast als wäre es ein gemütlicher Sonntagsspaziergang. Wahrscheinlich empfand ein Mensch, der zum Teil Berglöwe war, die Anstrengung gar nicht. Es war jedenfalls offensichtlich, dass Finn und Amber wesentlich schneller vorankämen, wenn sie nicht auf Marisa Rücksicht nehmen müssten. Zu dumm, sie konnte es nicht ändern. Und sie hätte sehr vieles lieber getan, als schon wieder durch den Wald zu rennen. Es reichte ihr eigentlich noch vom letzten Mal. Doch das würde sie nicht laut sagen, sie kam sich in Gegenwart der beiden Berglöwenmenschen sowieso wie ein Trampel vor.
Von Finn hörte sie nichts. Hätte sie nicht genau gewusst, dass er weniger als drei Meter hinter ihr ging, hätte sie gedacht, er wäre überhaupt nicht da. Marisa versuchte, die Schönheit ihrer Umgebung auszublenden, denn dann musste sie automatisch an Coyle denken, und das wollte sie nicht. Es tat zu weh, sich vorzustellen, dass ihm all ihre gemeinsamen Erlebnisse nichts bedeutet hatten. Sie verstand, dass er die Wandler schützen wollte, aber wie er an ihren Motiven zweifeln konnte, nachdem sie sich so leidenschaftlich geliebt hatten, war unakzeptabel. Und vor allem erinnerte es sie an ihre Beziehung zu Ben.
Amber drehte sich zu ihr um und sah sie besorgt an. „Alles in Ordnung?“
„Wunderbar.“ Marisa quetschte es aus zusammengebissenen Zähnen hervor.
Der Hauch eines Lächelns hob Ambers Mundwinkel. „Falls es dir irgendwie hilft, ich denke, dass mein Bruder
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