Ghostwalker 01 - Ghostwalker 01
Tage weg gewesen. Aber es hatte sich dennoch etwas verändert – sie selbst, und es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, ihr Leben wieder aufzunehmen, als wäre nichts gewesen.
„Alles in Ordnung?“
Marisa drehte sich zu der Frau um, die sie netterweise direkt bis vor die Tür gefahren hatte, und bemühte sich um ein Lächeln. „Ja. Vielen Dank, dass Sie mich mitgenommen haben. Wahrscheinlich würde ich sonst immer noch an der Straße stehen.“
Die Frau lachte, und ihre von grau durchzogenen rotblonden Locken wippten um ihren Kopf. „Das glaube ich nicht. Es war nett, Gesellschaft auf der langen Fahrt zu haben.“
Marisa öffnete die Wagentür. „Ich würde Sie auf einen Kaffee hereinbitten, aber ich fürchte, ich habe überhaupt nichts im Haus.“
„Das ist nett, aber ich muss sowieso weiter. Vielleicht sehen wir uns irgendwann einmal wieder.“
Ihre Muskeln protestierten, als Marisa ausstieg, aber sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Einen schönen Tag.“
Sie sah dem Wagen nach, als er rückwärts aus ihrer Ausfahrt fuhr und dann verschwand. Nachdem sie einmal tief Atem geholt hatte, wandte sie sich dem Haus zu. Ein kalter Schauder lief über ihren Rücken, als sie die Veranda hinaufstieg und das mit einigen Latten notdürftig vernagelte Fenster sah. Wäre Coyle nicht zurückgekommen und hätte sie überredet, mit ihm zu fliehen, könnte sie jetzt tot sein. Noch immer standen ihr die Bilder vor Augen, wie sich die Leoparden auf sie gestürzt hatten. Nein, sie könnte nicht nur tot sein, sie wäre es ganz sicher.
Marisa schüttelte den Gedanken ab und griff nach dem Knauf. Die Tür war verschlossen. Stirnrunzelnd sah sie sich um. Natürlich, sie hatte sie ja abgeschlossen, nachdem Coyle sie überrascht hatte – und bei ihrem hastigen Aufbruch keinen Schlüssel mitgenommen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und suchte auf dem Türrahmen nach dem Ersatzschlüssel. Er war dort deponiert, falls sie versehentlich die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ, wenn sie auf dem Grundstück unterwegs war oder Angus ausführte, aber sie benutzte ihn so selten, dass er ihr erst jetzt wieder einfiel. Erleichtert schloss sie die Tür auf.
Zuallererst brauchte sie eine heiße Dusche und etwas zu essen, und dann würde sie Angus abholen. Marisa schnitt eine Grimasse. Vielleicht sollte sie vorher einkaufen und dem Hund etwas mitbringen – als Entschädigung dafür, dass sie ihn allein lassen musste. Glücklicherweise hatte Coyle recht behalten und die Leoparden hatten ihm nichts getan. Verdammt, sie wollte nicht wieder an diesen elenden Berglöwenmann denken! Er hatte seine Wahl getroffen, und sie würde nicht so blöd sein und ihm auch noch hinterhertrauern. Oder sich daran erinnern, wie sich seine Haut an ihrer angefühlt hatte, sein Gewicht auf ihr, sein …
Mit einem leisen Aufschrei schlug Marisa die Tür hinter sich ins Schloss. Sie zuckte zusammen, als ein Stück Fensterscheibe klirrend zu Boden fiel. Wunderbar, genau das brauchte sie jetzt! Eine weitere Ausgabe, die sie sich eigentlich nicht leisten konnte. Wenn sie schlau wäre, würde sie genau das machen, was ihr vorgeworfen worden war: einen Artikel über die Wandler schreiben und viel Geld damit verdienen. Dummerweise konnte sie das nicht, wenn sie ihre Selbstachtung nicht verlieren wollte. Ganz abgesehen davon, dass sie es sich niemals verzeihen würde, wenn den Wandlern etwas geschah.
Amber und Finn waren sehr nett zu ihr gewesen, vielleicht hätten sie unter anderen Umständen Freunde werden können. Sagte diejenige, die sich immer bemüht hatte, niemanden zu dicht an sich herankommen zu lassen. Doch dieser Vorsatz schien irgendwo auf der Strecke geblieben zu sein, als sie mit Coyle durch die Wälder geflohen war und bei den Berglöwenmenschen Unterschlupf gefunden hatte. Jetzt musste sie für ihren Fehler bezahlen.
Wütend auf sich selbst stapfte sie durch das Wohnzimmer, nahm sich frische Kleidung aus dem Schlafzimmerschrank und schloss sich im Bad ein. Es war zwar niemand hier, aber solange das Fenster kaputt war, würde sie nicht darauf vertrauen, dass keiner eindrang. Rasch schlüpfte sie aus ihrer dreckigen zerrissenen Kleidung und stieß sie angewidert mit dem Fuß zur Seite. Noch mehr Zeug, das Coyle auf dem Gewissen hatte. Vielleicht sollte sie ihm eine Rechnung stellen über all das, was durch ihn zerstört worden war. Marisa schaltete das Wasser an und wartete, bis der Strahl heiß war, bevor sie daruntertrat. Ob
Weitere Kostenlose Bücher