Ghostwalker 01 - Ghostwalker 01
dann musste sie ihn irgendwie davon abbringen. Auch oder vielleicht gerade weil er ihr Vater war. Sie war immer stolz darauf gewesen, dass er mit seiner Arbeit etwas Gutes tat, das irgendwann Kranken oder vielleicht auch allen Menschen zugutekam. Zumindest war sie bis jetzt davon ausgegangen, und es hatte seiner ständigen Abwesenheit einen höheren Sinn gegeben, auch wenn der Schmerz darüber immer geblieben war. Wenn er jedoch geschützte Tierarten für irgendwelche Experimente benutzen wollte … Sie konnte nur hoffen, dass sie die Telefonate falsch interpretierte und eigentlich etwas ganz anderes dahintersteckte.
Isabel öffnete die Bürotür und betrat das Zimmer. Diesmal ging sie direkt zur Wand und öffnete die versteckte Tür. Sie nahm ein Buch aus dem Regal und legte es in den Spalt, bevor sie die Treppe hinunterstieg. Die Fliesen fühlten sich eiskalt unter ihren nackten Füßen an, vermutlich hätte sie doch erst ihre Sandalen holen sollen, aber sie wollte nicht noch mehr Zeit verschwenden. Alles in ihr drängte sie vorwärts, hin zu der Tür unter der Treppe. Ihr Herz raste, als sie mit zitternden Fingern den Riegel zurückschob.
Nachdem sie noch einmal tief durchgeatmet hatte, zog sie die schwere Metalltür auf. Wie erstarrt blieb sie auf der Schwelle stehen, und ihr Blick wanderte ungläubig durch den Raum.
Auf einer Liege lag ein gefesselter Mann. Sein nackter Körper war von Wunden übersät, die deutlich zeigten, was er durchgemacht haben musste. Ein entsetzter Laut verließ ihre Kehle, und sie schlug hastig ihre Hand vor den Mund. Die Lider des Gefangenen hoben sich, und sein Blick bohrte sich in ihren.
Oh Gott, was tat ihr Vater hier bloß? Isabel wollte weglaufen und vergessen, was sie gesehen hatte, doch das konnte sie nicht. Der Rest des Raumes sah aus wie ein normales Kellerlabor, mit Gerätschaften, Glasröhrchen mit Flüssigkeiten und chirurgischem Besteck. Doch irgendetwas stimmte nicht. Es wirkte unaufgeräumt, blutige Lappen und eine Spritze lagen herum, genauso wie etwas, das wie ein Stück Fleisch aussah. Ihr Blick glitt zurück zu dem Mann, und sie erkannte erleichtert, dass es zumindest nicht aus seinem Körper stammte. Dennoch bedeckten Wunden seinen Körper, die Übelkeit in ihr aufsteigen ließen. Sie musste sie verbinden und …
Als sie in den Raum treten wollte, schoss ein Schmerz durch ihren Kopf, der sie zurücktaumeln ließ. Ihre Finger krampften sich um den Türrahmen, während sie mit dem Oberkörper einknickte. Sofort ließ der Schmerz wieder nach und schwächte sich zu einem Summen ab. Verwirrt hob Isabel den Kopf und sah, wie der Mann sie beobachtete. Seine grüngoldenen Augen bewegten sich nach oben und wieder zu ihr zurück. Verwirrt strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er wiederholte die Bewegung und schließlich verstand sie, dass er ihr damit etwas sagen wollte. Sie trat wieder vor und blickte nach oben. Eine Überwachungskamera war an der Wand über der Tür befestigt, ein rotes Lämpchen zeigte, dass sie angeschaltet war. Wenn sie in den Raum getreten wäre, hätte ihr Vater es gesehen, wenn er nach Hause kam! Erst jetzt entdeckte sie, dass zudem noch eine zweite Kamera mitten im Raum stand und direkt auf die Liege gerichtet war.
Was sollte sie tun? Sie konnte den armen Mann nicht verletzt hier liegen lassen und so tun, als hätte sie nichts gesehen, so viel stand fest. Fieberhaft überlegte sie. Es gab keine Möglichkeit, an den beiden Kameras vorbeizukommen – und wenn sie sie abschaltete, würde ihr Vater das auch bemerken. Wenn sie dem armen Kerl wenigstens etwas sagen könnte, aber auch das würde bestimmt aufgezeichnet werden.
Tränen stiegen ihr in die Augen, sie kam sich so hilflos vor. Etwas strich durch ihren Kopf, und sie wurde ruhiger. Sie würde sich etwas überlegen und wiederkommen, wenn ihr Vater wieder unterwegs war. Entschlossen richtete sie sich auf und signalisierte dem Mann, dass sie wiederkommen würde. So etwas wie Erleichterung und Hoffnung flackerte in seinen Augen, bevor er sie wieder schloss. Den Blick auf sein Gesicht gerichtet, erkannte Isabel, dass er deutlich jünger war, als sie zuerst angenommen hatte. Seine Gesichtszüge hatten noch nicht die Härte eines Erwachsenen, vermutlich war er noch keine zwanzig Jahre alt. Der muskulöse Körper und der intensive Blick hatten sie zuerst getäuscht, doch jetzt war es offensichtlich.
Leise zog sie sich zurück und schloss vorsichtig die Tür hinter sich. Ihre Gedanken
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